Spiel: | Singularity |
Publisher: | Activision |
Developer: | Raven |
Genre: | Ego-Shooter |
Getestet für: | 360 |
Erhältlich für: | 360 |
USK: | 18 |
Erschienen in: | 9 / 2010 |
Bevor wir in die Story von Singularity einsteigen, ein klitzekleiner Chemie-Geschichte-Crashkurs: Weit hinten im Periodensystem der Elemente, genauer gesagt am Platz mit der Ordnungszahl 99, sitzt das radioaktive Element Einsteinium. Dieses kommt auf der Erde nicht natürlich vor, sondern entstand z.B. 1952 beim bis dato stärksten Atombombentest Ivy Mike und wurde von amerikanischen Forschern in dessen Fallout erstmals nachgewiesen. Aufgrund militärischer Geheimhaltung veröffentlichten sie ihre Ergebnisse erst 1955, im Todesjahr des Physikers Albert Einstein ihm zu Ehren wurde das Element Einsteinium getauft.
Singularity dichtet die Geschichte um: An der Stelle von Einsteinium sitzt das geheimnis- und verhängnisvolle Element E99 und anstatt der Amis haben es die Russen entdeckt. Um an die im E99 schlummernde Energie zu kommen (und damit den nahenden Kalten Krieg für sich zu entscheiden), wandelte die Sowjetunion das abgeschiedene Eiland Katorga-12 in ein Forschungszentrum um, in dem nicht nur die großen Geister des Sozialismus, sondern auch skrupellose, machtgierige Weißkittel ihrer Arbeit nachgingen. Singularity spult das ganze Programm ab: geheimes Forschungsprogramm, verheerender Unfall, Mutationen, Vertuschung etc. am Ende sollt Ihr als amerikanische Spezialeinheit aufklären, was wirklich auf Katorga-12 passiert ist. Euer wichtigstes Handwerkszeug neben den für das Genre üblichen Flinten stecken Euch die Entwickler nach etwa einer Stunde zu: das Zeit-Manipulations-Gerät, kurz ZMG. In diesem steckt eine Prise E99 und mit diesem könnt Ihr allerhand Schindluder treiben: Auf Knopfdruck lasst Ihr Objekte in Sekundenschnelle altern bzw. setzt sie in den Originalzustand zurück so zerbröselt Ihr Deckungsmöglichkeiten Eurer Feinde, baut kaputte Brücken wieder auf oder löst kleine, aber feine Kistenrätsel. Leider beschränken die Entwickler die ZMG-Funktionalität auf genau definierte Einsatzgebiete freies Denken und Herumexperimentieren ist nicht erwünscht. Praktischerweise fungiert das ZMG auch als Waffe dann allerdings mit begrenztem Energievorrat: Schleudert Monster wie ein Jedi-Ritter durch die Luft oder verwandelt menschliche Soldaten in Staub und Gerippe. Mittels einer blauen Schildblase (Bild auf der rechten Seite) schließlich friert Ihr alle Objekte und Feinde innerhalb des Radius ein so spaziert Ihr unbeschadet durch einen Ventilator oder pumpt einen fixierten Feind mit Blei voll. Rund um das Mysterium der Zeitmanipulation zimmert Raven Software ein gefällige, aber zu keinem Zeitpunkt eigenständige oder ernsthaft durchdachte Spielwelt: Ihr findet Schriftstücke und Tonbänder (Hallo, BioShock!) ehemaliger Katorga-12-Bewohner, stolpert über die geisterhaften Silhouetten verblichener Forscher und springt an fest vorgegebenen Stellen zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her, um mit Euren Handlungen auf die Zukunft einzuwirken.
In spielerischer und optischer Hinsicht bedient sich Singularity gleich bei mehreren Hochkarätern der letzten Jahre aufbauend auf der schnörkellosen und angenehm sauberen Spielbarkeit und Shooter-Mechanik der letzten Wolfenstein-Episode. Mal orientieren sich die Umgebungen am kräftigen Farbspektrum von BioShock, mal schlurft Ihr durch marode Betongerippe der Marke Fallout 3. Wer die üppig in den Levels versteckte E99-Währung und teils pfiffig verborgene Upgrade-Kits sammelt, motzt an zahlreichen Stationen seine Knarren auf, verbessert die eigenen Fähigkeiten oder pimpt das ZMG wer Dead Space überlebt hat, kennt das Prozedere. Allerdings bietet Singularity keine Möglichkeit zur Korrektur verwendete Upgrades und Kohle bekommt Ihr nicht zurück. Dieses kleine Manko in puncto Benutzerfreundlichkeit ist die Spitze der Altbackenheit von Singularity: Untertitel, alternative Sprachen oder Kapitelwahl gibt es nicht, dafür Medipacks zuhauf. Im Gegensatz zu Modern Warfare & Co. erholt sich Euer Held nicht automatisch wer nicht rasch ein Gesundheitspäckchen einsetzt, beißt trotz mehrerer Medipacks im Tornister ins Gras.
Dass Euch das auf der leichten oder normalen Schwierigkeitsstufe nicht allzu oft passiert, liegt zum einen an der beschränkten KI der Feinde, zum anderen an der Berechenbarkeit von Spielablauf und Leveldesign: Von einigen modernen Skript-Passagen abgesehen (Flüchte, während alles um Dich herum explodiert!), saust Ihr etwa acht Stunden lang durch ein lineares System aus Korridoren und Innenhöfen, Treppen und Kellergewölben, gespickt mit Aufzügen und Schaltern ein Quake II aus dem Jahre 1997 lässt grüßen. Das Stichwort Quake passt perfekt zum letzten Themenpunkt, dem Mehrspieler-Modus. Beide Online-Modi hetzen Menschen gegen Monster auf Ihr fegt über ansehnliche, weitläufige Maps, erfüllt (bzw. verhindert) Missionsziele, beschützt (bzw. zerstört) Knotenpunkte oder radiert einfach nur die feindliche Sippe aus. Dank cooler Soldaten- und Monsterfähigkeiten im Left 4 Dead-Stil und rasant-chaotisch-spaßiger Ballereien sind die spielerisch recht ähnlichen Modi eine nette Dreingabe allerdings findet Ihr nicht allzu viele Matches.
Kaputtgeschnitten ist die deutsche Singularity-Fassung nicht Ihr bekommt auch hierzulande reichlich Blut zu sehen, Mutanten dürft Ihr so brutal in Einzelteile zerlegen wie im Ausland. Folgende Dinge aber sind in der USK-18-geprüften Fassung geändert: Bei menschlichen Gegnern könnt Ihr keine Körperteile abtrennen zudem sind weniger Bluteffekte zu sehen, Einschusslöcher auf ihren Körpern gar nicht. Auch Blutspritzer auf Wänden und Böden fehlen. Habt Ihr Feinde durch die Explosion eines Cryotanks eingefroren, wurden beim Zerschießen der Eisskulptur Blut und Körperteile entfernt.
+ sehr flotte Steuerung
+ kurzweilig & sogar mit netter Story
+ gefällige Atmosphäre
+ sehr gut aussehende Knarren
+ einige nette kleine Zeiträtsel
+ die wenigen Bossfights sind cool
– sehr rasch durchgespielt
– in Deutschland mal wieder deutlich gekürzt
– kaum eigene Ideen
– Zeit-Manipulationsfeature nicht annähernd ausgereizt
– Level-Design nur sehr selten überraschend
Matthias Schmid meint: Obwohl die netten Zeittricks und der generelle Spielablauf richtig gut funktionieren, ist mir Singularity zu bieder und mutlos. Für Inszenierung und Atmosphäre gilt das Gleiche: Die Welt wurde nett designt und mit einigen hübschen Details veredelt (Stichwort: Propaganda-Videos) unterm Strich biedert sich der Titel aber zu sehr an BioShock an, ohne dessen erzählerische Klasse zu erreichen. Nur in einer Szene hat mich das Spiel richtig gepackt: Als ich in den Kanälen an den entstellten Wiederkehrer-Mutanten vorbeischlich, rutschte mir das Herz in die Hose. Wenig später war der Zauber wieder verpufft: Da nervten mich die kleinen Zecken-Viecher oder die limitierten E99-Fähigkeiten. Dass Singularity nie langweilt, verdankt es neben den (wortwörtlich) saftigen Schießereien, leider auch der zu kurzen Spielzeit. Ein Schlusswort zu den Knarren hübsch sind sie ja, einfallsreich aber nicht.
Ulrich Steppberger meint: Ego-Shooter sind eigentlich nicht mein Metier, aber Singularity hat mich sehr gut unterhalten vielleicht gerade deshalb, weil es keine großen Experimente wagt und sich auf erprobte Tugenden verlässt. Die Zeitmätzchen sind unkompliziert und prima einzusetzen, die Waffen haben ordentlich Bums und die Szenarien lassen wenig Zweifel aufkommen, wo es weiter geht. Die Story bietet genügend interessante Aspekte, um bei der Stange zu halten und irgendwie gefällt mir die gedämpfte Farbgebung. Klar, allzu lange und einfallsreich ist der Solo-Einsatz nicht, aber dafür hat er auch keine Längen. Nur mit den Mehrspieler-Optionen konnte ich mangels vernünftiger Einführung wenig anfangen.
Kurz & gut mehr aber nicht. Patenter Ego-Shooter mit netter Story-Idee, der viel Zeitmanipulations-Potenzial verschenkt.
Singleplayer | 75 | |
Multiplayer | ||
Grafik | ||
Sound |