Uncharted: Drakes Schicksal – im Test (PS3)

0
521
Spiel:
Publisher:
Developer:
Genre:
Getestet für:
Erhältlich für:
USK:
Erschienen in:

Die PlayStation 3 hat alles, was eine erfolgreiche Konsole braucht: schicke Hochglanz-Hülle, Hardware-Power, verschwenderische Ausstattung, die Unterstützung aller Software-Hersteller und ein exzellentes Preis-/Leistungsverhältnis. Doch um die ein Jahr früher gestartete Xbox 360 verkaufstechnisch einzuholen, benötigt Sony noch etwas anderes, den Heiligen Gral der Videospielbranche – genannt System Seller. Exklusive Heilsbringer wie Metal Gear Solid 4 oder Gran Turismo 5 lassen allerdings auf sich warten. Befeuert von einer kostspieligen Marketing-Kampagne soll es dieses Weihnachten ein Action-Abenteuer mit dem bedeutungsschwangeren Namen Uncharted: Drakes Schicksal richten.

Ob dieser Plan aufgeht, entscheidet letztlich der Konsument. Und der sollte am besten die “Indiana Jones“-DVD-Box im Schrank stehen haben, auf Kletter- beziehungsweise Sprungpassagen wie in Tomb Raider Anniversary stehen und taktisch angehauchte Ballereinlagen im Stile des indizierten Epic-Shooters für Xbox 360 lieben. Dann wird er sich der äußerst unterhaltsamen Mischung dieser Bestandteile in Form von Uncharted wohl kaum entziehen können – und sich über die alles andere als originellen Spielelemente auch nicht beschweren. Um das an dieser Stelle klarzustellen: Entwickler Naughty Dog – die Schöpfer von Crash Bandicoot und Jak &amp Daxter – erfindet nichts neu, sondern bedient sich ganz ungeniert bei allerlei bekannten Videogames. Klarstellung, die Zweite: Das Endergebnis ist dennoch höchst spielenswert, das Verhältnis von Action- und Geschicklichkeitspassagen wunderbar ausbalanciert – wobei im Verlauf des etwa zehnstündigen Abenteuers mehr geschossen als geforscht wird.

Aber um was geht es überhaupt? Hauptakteur und Euer virtuelles Alter Ego Nathan Drake entdeckt auf hoher See den Sarg seines Vorfahren und berühmten Seefahrers Sir Francis Drake. Im Inneren des Sarkophags liegen jedoch keine Gebeine, sondern ein in Leder gebundenes Büchlein. Und wie sollte es anders sein: In dem Notizbuch finden sich Hinweise auf ein sagenumwobenes Prunkstück – den Goldschatz von Eldorado. Zusammen mit der TV-Reporterin Elena Fisher macht er sich auf die Suche nach den Reichtümern. Doch sie sind nicht die einzigen, die dem glitzernden Mammon hinterherjagen…

Die Hatz nach dem Schatz beginnt in einem Dschungel – in einem atmenden, dynamischen Dschungel, wie Ihr ihn noch auf keiner Konsole erlebt habt. Eine Brise bringt die Äste von Baumriesen sanft zum Schwingen, dann lässt ein Windstoß die glänzenden Palmenblätter heftig tanzen, bevor plötzlich regungslose Stille herrscht. Etwas entfernt blinzelt die Sonne durchs Regenwalddach, flutet einen freien Platz mit Licht. Bei Held Nathan und den anderen digitalen Darstellern hinterlässt diese Hell-/ Dunkelparade sichtbare Spuren: Die Schattenmuster von Blättern und Zweigen legen sich in Echtzeit über ihre Silhouetten, umherfliegende Vögel werfen ihre Umrisse auf Boden und Spielfiguren. Um das tropische Ambiente perfekt zu machen, braucht es Wasser – und auch das gibt es in Uncharted: Drakes Schicksal in allen möglichen Varianten, als Wasserfall, reißenden Fluss, Mini-See und Rinnsal. Dirigiert Ihr Nathan in ein Gewässer, werden seine Klamotten sichtbar nass – ein nettes grafisches Detail, auch wenn seine Haare nach einer Schwimmeinlage wie frisch gefönt aussehen…

Dieses Ambiente ist die Bühne für Eure ersten Gehversuche: Nathan spaziert und rennt, steigt über hüfthohe Steine hinweg, zieht sich an Felsen hoch, hangelt sich an Vorsprüngen entlang und springt wagemutig zwischen Basaltsäulen hin und her – wie Kollegin Lara Croft, und alles via simplem Tastendruck. Ein ausgebildeter Fährtenleser müsst Ihr dabei nie sein: Das Abenteuer verläuft linear, die möglichen Laufwege beziehungsweise Sprungpassagen sind fast immer klar zu erkennen. Wer jedoch abseits der vorgezeichneten Pfade ein bisschen stöbert, stößt auf versteckte Schätze, die Euch nette Boni bescheren und den Wiederspielwert erhöhen (siehe Kasten).

An einigen Stellen müsst Ihr Eure grauen Zellen ein wenig anstrengen: Meist gilt es, Schalter in einer bestimmten Reihenfolge zu drücken, um voranzukommen. Die Rätsel sind nicht besonders schwer, bei Problemen guckt Ihr einfach via Select-Taste in Francis Drakes Büchlein – dort findet Ihr eindeutige Lösungshinweise. Weder die Geschicklichkeitsabschnitte noch die Rätsel können sich in Sachen Komplexität und Anspruch mit “Tomb Raider Anniversary“ messen, sie sind jedoch flüssig zu absolvieren und sehr spaßig.

Aber Klettern und Erforschen machen nur knapp 40 Prozent von Uncharted aus, die restliche Zeit verbringt Ihr mit taktisch geprägten Schießereien. Wie bereits erwähnt, stören Nathan auf seiner Schatzsuche lästige Nebenbuhler und die lassen bei Sichtkontakt ihre Bleispritzen sprechen. Zum Glück haben die Entwickler in den Schauplätzen (u.a. Dschungel, Tempelgewölbe, Festung, aufgelassenes Kloster und verfallene Stadt) genügend Deckungen aufgestellt. Nur wenn Ihr Marmorsäulen, Mauern, Kisten und andere Kugelfänger konsequent nutzt, überlebt Ihr die packenden Shootouts. Um sich cool an einen Pfeiler zu lehnen oder von einem Steinhaufen zum nächsten zu hechten, genügt ein Druck auf die Kreistaste. Das funktioniert in den meisten Fällen anstandslos, nur selten drückt sich Nathan an die falsche Seite einer Mauer und somit direkt in die Schusslinie der Feinde.

Die Deckung benutzen können wir nun, jetzt wird zurückgeschlagen! Dafür habt Ihr zwei Möglichkeiten: Lässig, aber wenig treffsicher aus der Hüfte schießen oder etwas behäbiger, dafür zielgenau via Fadenkreuz feuern. Bei beiden Varianten dürft Ihr Euch bewegen und so Gegner ausmanövrieren. Die Waffenpalette reicht von Pistole über MP bis zu Granatwerfer. Geht Euch die Munition aus, verstrickt Ihr die Widersacher in einen Nahkampf und knockt sie mit Kinnhaken oder Tritten aus. Ein gezielter Granatenwurf schließlich hebelt elegant MG-Nester aus.

Aus diesen Grundzutaten und zusammen mit einer hohen Gegnerintelligenz entwickeln sich heiße Gefechte, die schon auf der Schwierigkeitsstufe ’Normal’ für schweißnasse Hände sorgen. Die Feinde nutzen geschickt die Deckungen, feuern gezielt und versuchen, Euch von der Seite in die Zange zu nehmen. Im Gegensatz zum angesprochenen Epic-Shooter kennen die “Uncharted“-Schurken keine unsichtbaren Grenzen – sie nutzen das gesamte Spielareal. Den hampeligen Tomb Raider Legend-Ballereien ist die Action in Naughty Dogs PS3-Premiere haushoch überlegen. Und in Uncharted machen sogar die Fahrsequenzen Laune: Zerlegt von der Ladefläche eines Jeeps aus Verfolger sowie Urwaldflora und kämpft Euch mit einem Sea-Doo einen reißenden Strom hinauf.

Zum Schluss ein paar Worte zur Präsentation: Uncharted gefällt mit tollen Ingame-Zwischensequenzen. Sie erzählen – oftmals mit typischem “Indiana Jones“-Humor – die Story weiter und beeindrucken mit filmreifen Kameraperspektiven. Die Lokalisierung ist tadellos, die deutschen Synchronsprecher klingen durchweg ansprechend – kein Vergleich zum Halo 3-Debakel. Auf Wunsch dürft Ihr auch den englischen (und einigen anderen) Stimmen lauschen und zum Beispiel deutsche Untertitel aktivieren – vorbildlich!

Oliver Schultes meint: Es dauerte ein bisschen, bis Uncharted bei mir richtig zündete. Ich hatte die Befürchtung, dass die vielen Ballereien das hervorragende Abenteuer-Flair aus den Anfangsszenarien kaputt machen würden. Aber das Gegenteil passierte: Die taktisch geprägten und zum Teil richtig anspruchsvollen Shootouts sind die große Stärke und zu Recht der Schwerpunkt des Titels. Wer ein reines Kletter-Spring-Rätsel-Erforschen-Spiel sucht, sollte sich woanders umsehen. Freunde von Tomb Raider Anniversary mit Faible für Schießereien erleben dagegen ein grafisch prachtvolles Action-Adventure mit filmreifer Inszenierung. Animationen, Detailfülle, Beleuchtung, Wassereffekte – alles auf höchstem Niveau. Selten geht die hohe Bildrate etwas nach unten, Tearing stört auf HD-Displays ebenfalls nur gelegentlich. Die Akustik steht dem nicht nach: Ein toller symphonischer Soundtrack (eingespielt in George Lucas’ Skywalker Studios), passende Effekte wie Grillenzirpen oder hallende Schreie und gelungene Sprachausgabe runden das positive Bild ab. Zu meckern habe ich nur wenig. Insgesamt hätte ich mir aber mehr Freiheiten gewünscht: Eure Wege sind klar vorgezeichnet, Alternativrouten fehlen. So wirkt das Ganze fast schon zu poliert und einsteigerfreundlich.

André Kazmaier meint: Normalerweise stoße ich mich an so was nicht, aber wie sich die Entwickler hier bei anderen erfolgreichen Franchises bedient haben, ist für meinen Geschmack einen Tick zu dreist. Von Naughty Dog hätte ich einfach ein etwas eigenständigeres, frischeres Spielerlebnis erwartet. Selbst der Hauptcharakter, der eine Mixtur aus Ben Affleck und dem Hauptdarsteller aus ”Lost” darstellt, ist mir zu profillos. So, genug gemotzt, denn trotz aller Kritik hat mir Uncharted viel Spaß bereitet. Was die Schusswechsel anbelangt, muss ich mich meinem Kollegen anschließen: Derart packende, strategische und adrenalintreibende Schießereien sind mir noch nicht untergekommen. Die Inszenierung ist ebenfalls top: Auch wenn ich beim Anblick des Dschungels nicht wie Olli in Euphorie verfalle (mir gefallen die Ruinen im späteren Verlauf besser), so kann ich dank des exotischen Flairs, der sagenhaften Musikuntermalung, der filmreifen Präsentation und der netten Story (inklusive überraschendem Twist am Ende) wunderbar abtauchen. Die Klettereien, kleinere Rätsel und Sea-Doo-Einlagen sorgen außerdem immer dann für Abwechslung, wenn die Ballereien im Begriff sind, eintönig zu werden. Für den nächsten Teil wünsche ich mir nur etwas mehr Mut zur Innovation.

  • Mixtur aus Erforschen, Rätseln und Ballern, wobei der Action-Part überwiegt
  • Spieldauer ca. 10 Stunden
  • viele freispielbare Extras, u.a. Achievements für das kommende PlayStation Home
  • professionelle Lokalisation

Auf einer Augenhöhe mit ”Tomb Raider Anniversary”, aber mit mehr Action: gelungenes Schatzsuche-Abenteuer mit feiner Grafik und filmreifer Inszenierung.

Singleplayer87
Multiplayer
Grafik
Sound