Deus Ex: Mankind Divided – im Test (PS4/XOne)

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Terror, Argwohn und Hass gegen Andersartige, Ausgrenzung und Aufstachelung, Polizei-Willkür, fortschreitende Verarmung, technischer Fortschritt und Korruption. Was sich anhört wie eine Zusammenfassung des aktuellen Tagesgeschehens in den Nachrichten, sind auch die bestimmenden Themen von Deus Ex: Mankind Divided, dem Nachfolger des 2011 erschienenen Human Revolution. Es spielt zwei Jahre nach den Ereignissen von Jensens erstem Abenteuer, die deutliche Spuren in der Spielwelt und der dort beheimateten Gesellschaft hinterlassen haben. Augmentierungen, also alle Formen von Prothesen, künstlichen Sinnesorganen und anderen Technisierungen des Körpers, sind nicht mehr modern und hip, sondern Makel und Fluch. Am Ende von Human Revolution rasteten künstlich veränderte Menschen in aller Welt durch eine Signalübertragung zeitweise aus, verloren die Kontrolle über sich und griffen die eigenen Partner und Kinder an. Seitdem herrschen Misstrauen und Hass zwischen normalen und veränderten Menschen, Letztere werden in Ghettos gesperrt, in vielen Geschäften nicht bedient und müssen im Zug in separaten Abteilen sitzen.

Als massiv augmentierter Mann spürt Adam Jensen die Vorurteile am eigenen Leib. Bewegt er sich in den Straßen von Prag, das mit einer gelungenen Mischung aus moderner Neonreklame und kalten, kantigen Betongebäuden den Haupt-Schauplatz von Mankind Divided bildet, passiert es öfter, dass er von der Polizei angehalten wird. Dann heißt es, Pass zeigen und sich einen dummen Spruch anhören. Steigt er in der U-Bahn in einen Waggon für unveränderte Menschen, rücken diese in einer kurzen Videosequenz, welche die Ladezeit zum nächsten Stadtviertel kaschiert, ängstlich zusammen – und beim Aussteigen wartet mit Sicherheit schon ein gepanzerter Ordnungshüter mit mahnendem Zeigefinger. In dieser Welt führt Adam ein Leben als Doppelagent: Einerseits arbeitet er für die Taskforce 29, eine Antiterror-Einheit der Regierung. Andererseits spioniert er für das Juggernaut Collective, eine Untergrundorganisation unter der Führung des Hackers Janus. Auf wessen Seite sich Jensen letztlich schlägt, beeinflusst der Spieler im Laufe der Handlung, die sich um den Aufstieg einer gewaltbereiten Augmentierten-Splittergruppe dreht, immer wieder selbst.

Händigt er geheime Unterlagen seinem Vorgesetzten aus oder bewahrt er sie für seine Juggernaut-Kontaktperson auf? Bricht er in eine Bank ein, um sensible Dokumente einer Firma zu stehlen, bevor sie in Sicherheit gebracht werden, oder spürt er in dieser Zeit lieber die entführte und bedrohte Tochter eines Uhrmachers auf, die im Verdacht steht, Bomben zu bauen? Jede Entscheidung zieht Konsequenzen nach sich, von veränderten Dialogen bis zu vollkommen unterschiedlichen Storymissionen. Eines ist sicher: Das mehrmalige Durchspielen lohnt sich und wird bestimmt nicht langweilig. Denn dadurch, dass Ihr im Spiel gezwungen werdet, Euch zu entscheiden, könnt Ihr gar nicht alle Inhalte in einem Durchlauf zu Gesicht bekommen.

An der Kernkompetenz von Deus Ex rüttelt auch der aktuelle Teil nicht. Die Missionen bestehen meist daraus, durch weitläufige Anlagen zu schleichen und sich dabei auf die ein oder andere Weise mit den zahlreichen Feinden auseinanderzusetzen. In der Vergangenheit waren Spieler, welche Jensen als offensiven Rambo einsetzen wollten, der erst schießt und dann fragt, häufig im Nachteil – zu hakelig war die Zielsteuerung, zu wenig Augmentierungen waren auf Aggressivität ausgelegt. In Mankind Divided hat Eidos Montreal das Gleichgewicht hinbekommen: Zu Jensens gewohnten Fähigkeiten gesellen sich neue, die Haudrauf-Fans und Schleichprofis gleichermaßen erfreuen. Schaltet man die entsprechenden Augmentierungen frei, bewegt sich Jensen wie in Dishonored blitzschnell von Deckung zu Deckung, schießt Klingen aus seinen Armen und nagelt damit Feinde an die Wand, lässt eine Schockwelle los, die Gegner ins Traumland schickt, oder hüllt sich mit der Titanpanzerung in einen schimmernden Kokon, der ihn für eine gewisse Zeit fast unverwundbar macht. Aber Achtung: Das können viele der neuen Gegner auch!

Da lohnt es sich, das eigene Waffenarsenal aufzurüsten: Neben den üblichen Schalldämpfern und Laserzielvorrichtungen findet Jensen überall in der Welt Technikschrott, mit dem er entweder Kleinigkeiten wie Multitools (zum Hacken von Computern ohne passenden Skill) und Biozellen im Feld nachproduziert oder den er zum Aufwerten von Magazingröße, Schaden und Kadenz in seine Ballermänner investiert. Leider hält die Intelligenz der KI-Gegner da noch immer nicht mit: Zwar erspähen sie Jensen auch, wenn er sich unter oder über ihnen befindet. Und sie sind dieses Mal auch so schlau, alle Öffnungen eines Lüftungsschachts unter Feuer zu nehmen, wenn sich der Held darin verbirgt. Versteckt man sich aber in einem engen Raum hinter einer Kiste und fängt an zu schießen, kommen sie immer noch wie die Lämmer einer nach dem anderen, um nachzusehen, was da los ist.

Da sollten vor allem Zocker, die auf einen Durchlauf ohne Kills aus sind, aufpassen: Setzt Jensen einen Gegner mittels Taserpistole unter Strom, zappelt dieser kurz aufrecht, bevor er zu Boden sinkt. Schießen seine Kollegen derweil weiterhin auf Jensens Position, töten sie unweigerlich den eigenen Kameraden, der im Kreuzfeuer steht. Die Schuld daran schreibt das Spiel dem Helden zu. Um solche Probleme zu vermeiden, bieten sich die neuen Nahkampf-Takedowns an, die jetzt auch aus der Deckung heraus funktionieren. Und natürlich lassen sich viele Konflikte gänzlich vermeiden oder im Gespräch lösen. Vorbei sind die Zeiten der erzwungenen Bosskämpfe – wer kann, der quatscht und hackt sich zum Sieg.

Spielerisch ist Mankind Divided also variabler und damit besser als sein Vorgänger und auch sonst hat es fast überall die Nase vorn. Wer möchte, widmet sich zwischen den Storymissionen ausschweifenden Nebenquests, die sich durchaus auf die Geschichte auswirken können: Beschafft Ihr zum Beispiel ein bestimmtes technisches Gerät, das Jensen für die volle Nutzung neuer Augmentierungen braucht, von einem Mafiaboss, verlangt der später eine Gegenleistung, die eine andere Aufgabe verkompliziert.

Aufmerksame Naturen klären nebenbei einen bestialischen Mordfall auf, ergründen die Quelle einer neuen Modedroge und recherchieren für eine Untergrundzeitung. Aber auch ohne konkrete Aufgabe lohnt es sich, die Gassen, Hinterhöfe und Geschäfte Prags genau in Augenschein zu nehmen. Unter Kanaldeckeln, hinter bröckelnden Wänden und in scheinbar unerreichbaren Wohnungen verbergen sich interessante bis amüsante Storyfetzen, PDAs mit nützlichen Passwörtern, eBooks und Credits, die Jensen bei in der Stadt verteilten Händlern investiert. Nicht zuletzt ist auch die liebevolle Ausstaffierung der Levels ein Grund, auf einen Streifzug zu gehen. Wer Lust darauf hat, sollte es nicht zu lange vor sich herschieben. Nach ein paar Storymissionen ändert sich die Stimmung und Prag wird für einen Augmentierten wie Jensen zu einem gefährlichen Pflaster.

Neben den interessant anzusehenden Orten in Jensens Abenteuer überzeugt auch die Optik der Hauptpersonen: Jensen, sein Pilot Chikane, Talos Rucker und Bösewicht Marchenko stoßen zwar nicht in die Grafikwunder-Regionen der ”Uncharted 4”-Charaktere vor, können sich in puncto Mienenspiel und Texturqualität (sowohl der Haut als auch der raffinierten Klamotten) aber sehen lassen. Dazu gesellt sich ein stimmiger Soundtrack, der die Schauplätze und ihre jeweilige Atmosphäre sehr gut unterstützt. Und Fans englischer Originalstimmen atmen auf, denn im Gegensatz zu Human Revolution darf in der USK-Fassung von Mankind Divided auf Wunsch auch der englischen Vertonung gelauscht werden. Allerdings sind die Sprecher oft sehr leise abgemischt, manuelles Nachkonfigurieren in den Optionen schafft Abhilfe.

Serienkenner erfreuen sich derweil an etlichen Eastereggs zum Erstling aus dem Jahr 2000: Auf vielen Mousepads entdeckt man das ursprüngliche Deus Ex-Logo, Zeitschriftencover zeigen das Majestic-12-Oberhaupt Bob Page und den (hier noch nicht eingefrorenen) Illuminaten-Anführer Lucius DeBeers. Man begegnet dem zukünftigen UNATCO-Direktor Joseph Manderley und in einer alternativen Zeitschriftenredaktion wird über die Meldung einer geheimen Mondbasis diskutiert.

Dennoch ist Mankind Divided nicht perfekt! Neben der mäßig begabten künstlichen Intelligenz fallen viele weitere Ecken und Kanten auf: Bei Unterhaltungen passen die Lippenbewegungen der Charaktere oft nicht zur Sprachausgabe, dazu bleiben die Gesichter bis auf den Kiefer und die Augenpartie steif. Im Zusammenhang mit vielen hampeligen Animationen und generell marionettenartigen Bewegungen wirkt das puppenhaft und unnatürlich. Besonders fallen diese Mängel bei normalen Gegnern und Nebendarstellern auf, die generell deutlich detailärmer gestaltet wurden als ihre für die Erzählung wichtigen Brüder und Schwestern.

Beim Gang durch die Straßen Prags deuten Ruckler auf Nachladephasen hin und viele Schmierereien an Hauswänden sowie herumliegende Schriftstücke sind aus der Nähe nur noch Pixelbrei, das macht etwa The Division besser, wo jeder Papierfetzen, der an einer Straßenlaterne klebt, noch klar lesbar ist. Unscharf präsentieren sich auch viele Videosequenzen und eine knapp viertelstündige Zusammenfassung der Ereignisse von Human Revolution. Zudem wirken die deutschen Sprecher häufig aufgesetzt und ihre Akustik passt nicht zur Situation auf dem Bildschirm. Oft kollidiert auch das auf freie Erkundung angelegte Regelsystem des Spiels mit dem gesunden Menschenverstand und raubt so die Immersion: Wenn man in eine fremde Wohnung einbricht und der Besitzer zu Hause ist, sollte der nicht unbeteiligt zusehen, wie man sein Hab und Gut raubt.

Schlimmer als all diese Punkte wiegt aber der seltsam überhastete Schluss: Viele Fragen, etwa über Jensens Vergangenheit und die Strippenzieher hinter den Entwicklungen der Story, werden nur ungenügend oder gar nicht abgehandelt, wichtige Figuren der Seriengeschichte geben sich vielversprechend im Intro ein Stelldichein, tauchen dann aber fast nicht mehr auf. Das ist schade und lässt den Spieler seltsam unbefriedigt zurück, der es von der Spielereihe eigentlich gewohnt ist, regelmäßig über das Schicksal der Menschheit zu entscheiden.

Am Ende wiegen die spielerischen Aspekte, die Entscheidungsfreiheit, das große Waffen- und Fähigkeitenarsenal und die interessanten Schauplätze diese Mängel aber auf. Mankind Divided erschlägt den Spieler nicht mit dutzenden sinnfreien Sammelaufgaben, steckt ihn nicht in ein enges Missionskorsett und gibt ihm nicht vor, was er zu denken und wie er sich zu verhalten hat. Stattdessen werdet Ihr ermutigt, auf eigene Faust zu handeln und auszuprobieren. Jedoch immer mit der Gewissheit, dass das Spiel sich merkt, was man auf welche Weise getan hat, und dass das eigene Handeln Konsequenzen hat, einige Türen öffnet und andere bis zum nächsten Spieldurchgang schließt.

Tobias Kujawa meint: Adam hat sein Schicksal akzeptiert und geht selbst in die Offensive – das gefällt mir. Statt nur der Spur der Illuminaten zu folgen, zieht er als Doppelagent jetzt selbst die Strippen. Dadurch bekomme ich das Gefühl, jetzt nicht nur beim Herumschleichen, sondern auch beim Verlauf der Geschichte mitreden zu können. Spielerisch ist der liberale Ansatz für mich wie immer ein Genuss – diese Art Spielmechanik ziehe ich polierteren Titeln, die mich mehr einschränken, vor. Insgesamt bin ich mehr als zufrieden mit dem neuen Deus Ex, möchte aber den mittelmäßigen Schluss sowie eine Kleinigkeit kritisieren: Wenn Adam Jensen einen bewusstlosen Gegner oder eine Leiche hinter sich herzieht, sollte besser seine Hand zu sehen sein und außerdem sollte der Körper nicht wie eine Holzpuppe durch die Gegend wackeln! Wie wäre es mit einer Third-Person-Perspektive für diese Tätigkeit? Alternativ könnte sich Jensen die Zielperson auf die Schulter laden, das klappt in anderen Spielen ja auch…

  • das Ende wird durch Eure Entscheidungen während des Spiels beeinflusst
  • viele ausgearbeitete Nebenmissionen
  • New Game+ und Permadeath-Modus nach einmaligem Durchspielen

Adam Jensen 2.0: Mit neuen Augmentierungen spielt sich ”Mankind Divided” besser als der Vorgänger, am Ende bleiben aber Fragen offen.

Singleplayer87
Multiplayer
Grafik
Sound
Samba_de_Amigo
Gast
Samba_de_Amigo

Uftfz sieht das Grütze aus auf den Konsolen…….

Max Snake
I, MANIAC
Max Snake

Mit Story hatte etwas Problem zu verstehe selbst wenn ich Human Revolution gespielt hat. Trotzdem super Spiel.

Maverick
I, MANIAC
Maverick

Geht absolut in Ordnung die Wertung. Fand dass spiel top, große Welt, tolle Story aber leider mit vielen offenen Fragen am Ende, toller talentbaum mit vielen Skills. Habs direkt zwei mal durchgespielt.