Akte BPjM – The Chaos Engine

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Shooter aus der Iso-Perspektive mit Koop- und Rollenspiel-Elementen waren Mitte der 1990er keine Seltenheit. Mit seinen zahlreichen Geheimgängen, verschiedenen Charakteren und Rätselelementen stach The Chaos Engine dennoch hervor und räumte einige ”Spiel des Jahres”-Preise ab. Wo lagen bei der düsteren Monster-Hatz die Probleme für die BPjM?

The Chaos Engine

Entwickler: Bitmap Brothers, England
Hersteller: diverse
System: Amiga / Atari ST / SNES / Mega Drive
Veröffentlichung: März 1993
Indizierungstermin: 2. März 1995
Indizierte Versionen: Mega Drive
Index-Liste: A

Dem englischen Wissenschaftler Baron Fortesque fällt das technische Know-how eines Zeitreisenden in die Hände und er erfindet im viktorianischen England die Chaos-Engine. Diese gerät außer Kontrolle, verwandelt die Landschaft der Insel und lässt Monster auf die Welt los. Sechs Söldner wagen sich auf das Eiland, um dem Chaos ein Ende zu machen und nebenbei reich zu werden. Ihr übernehmt einen der Charak­tere, ein zweiter wird entweder von der KI oder einem Kumpel gesteuert. Dann geht es durch vier Welten und insgesamt 16 Levels gegen allerlei Monster. Sammelt Schlüssel, findet geheime Pfade, levelt Eure Kämpfer auf und macht der Höllenmaschine ein Ende!

»Der Spieler  […] hat nun die Aufgabe, wie in den folgenden Spielstufen auch, auf alles zu schießen, was sich bewegt. Zunächst sind dies menschenähnliche Wesen, die es zu erschießen gilt. […] Hat der Spieler im Verlauf des Spiels alles liquidiert, was sich ihm in den Weg gestellt hat, geht er als Sieger hervor.«        

Auszüge aus der Indizierungs­entscheidung Nr. 4463 vom 02.03.1995

”[Das Spiel] ist geeignet, Kinder und Jugendliche sozialethisch zu desorientieren […]. Die sozialethische Desorientierung rührt hier insbesondere aus der Einübung des gezielten Tötens. Die programmimmanente Logik bindet den Spieler an ein automatisiertes Befehls- und Gehorsamsverhältnis, dessen wesentlicher Kern das reaktionsschnelle, bedenkenlose Töten der zahlreichen Gegner ist.
(…)
Ein erfolgreiches Durchspielen des Programms ist in jedem Fall an die Liquidation zahlreicher Gegner gebunden. Dies gibt schon die Spielanleitung […] wieder: »Schieß auf alles, was sich bewegt«. Das Töten der zahlreichen Gegner wird auf mannigfaltige Art und Weise positiv gratifiziert.
(…)
Da sich der Spieler im stetigen Kampf um das eigene Überleben befindet, wird er gefühlsmäßig intensiv in das Spielgeschehen mit einbezogen […] Eine kritische kognitive Bewertung des aggressiven Spielinhalts ist dem Spieler aufgrund einer derart hohen psycho-physischen Beanspruchung nicht möglich. Auf diese Weise wird das Töten von Menschen spielerisch eingeübt und zum sportlichen Vergnügen verniedlicht.
(…)
Der Umstand, dass medienimmanente Darstellungen, die den absichtlichen und normwidrigen Einsatz von Gewaltmitteln qualifiziert positiv bewerten, uneingeschränkte Verbreitung finden, kann […] den Eindruck entstehen lassen, dass die Anwendung derartiger Verhaltensmuster eigentlich als eine soziale Selbstverständlichkeit zu gelten hat.
(…)
So war das Zwölfergremium der Bundesprüfstelle auch der Auffassung, dass dieses Spiel faschistoide Züge trägt. Menschenähnliche Wesen werden als eine Art Untermenschen präsentiert, die bedenkenlos zur Erreichung eigener Ziele liquidiert werden müssen. In diesem Einüben des Tötens ist die Gefahr zu sehen, dass der Respekt vor dem Leben und der körperlichen Unversehrtheit, der Hemmschwellen, die jeder Tötungs- und Verletzungshandlung entgegenstehen, herabgesetzt wird.”

Vernünftig nachvollziehen lässt sich die Indizierung von The Chaos Engine aus heutiger Sicht nur schwer. Im Gegensatz zu anderen indizierten Genre-Vertretern der gleichen Altersklasse wie Smash TV und Total ­Carnage werden im Bitmap Brothers’ Werk (das in den USA Soldiers of Fortune heißt) keine echten Menschen als Kanonenfutter aufgeboten. Die humanoiden Monster reichten den Prüfern aber schon aus. An ihnen übe man das Töten von Menschen, heißt es im Bericht. Sogar faschistoide Züge werden dem Spiel mit Bezug auf diese Kreaturen angelastet. Ist man fremdenfeindlich, wenn man als Söldner auf fantastische Wesen schießt, die aufrecht gehen? Ein diskussionswürdiger Vorwurf. Hinzu kommt, dass das Sammeln von Schlüsseln, das Finden von Ausgängen und das Entwickeln des Spielcharakters keine Erwähnung findet und auch das kooperative Spielen außen vor gelassen wird.

Im Zeitgeist betrachtet, ist die Indizierung wiederum verständlich. Die USK wurde erst 1994 ins Leben gerufen und verfügte noch nicht über gesetzlich verpflichtende Siegel. Eine Indizierung war 1995 die einzige Möglichkeit, den Erwerb des Spiels für Kinder unmöglich zu machen. Dass diese die menschenähnlichen Monster für Menschen halten, ist durchaus möglich. Der düstere Stil des Spiels, die martialische Aufmachung der Söldner und der Inhalt, der nun einmal hauptsächlich aus Ballereien besteht, war nach damaliger Ansicht eben ungeeignet für Kinder. 

Du fragst Dich schon ewig, warum ein bestimmtes Spiel indiziert wurde? Dann schreib uns Deine Anregung an leserpost@maniac.de und wir gehen der Sache nach!

Rudi Ratlos
I, MANIAC
Rudi Ratlos

Wieder so ein Spiel, wo ich unschlüssig war, ob es überhaupt ein Ende hat 😉

AkiraTheMessiah
Gast

Zum Glück kam das Spiel Anfang 93 auf der Freundin raus. Und Mann .. Wie habe ich das Spiel geliebt. Ein wahrere Klassiker von den Bitmap Brothers …Kann überhaupt nicht verstehen, das dass Spiel für den Mega Drive auf den Index gekommen ist. Da gab es ganz andere Spiele .. Aber nun gut, so war es halt damals.