Akte BPjM – Total Carnage

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Mit Muskelmännern, einem großen Arsenal und jeder Menge Kanonenfutter mischt sich der Quasi-Nachfolger des ebenfalls indizierten Smash TV in die Reihen von ContraIkari Warriors und Rambo, erreicht aber nicht deren Klasse. Warum der Humor des Spiels die Gewalt nach Meinung der BPjM nicht aufwog, lest Ihr hier.

Total Carnage

Entwickler: Midway / Black Pearl, USA
Hersteller: Midway / Malibu
System: Arcade / Amiga / SNES / diverse
Veröffentlichung: 1992
Indizierungstermin: 20. Oktober 1994
Indizierte Versionen: SNES
Index-Liste: E

Captain Carnage und sein Rambo-Kumpel Major Mayhem machen sich auf den Weg in das Land des Diktators General ­Akhboob (vertont von Ed Mortal ­Kombat Boon), der Journalisten und Touristen als Geiseln genommen hat und in seiner Babymilch-Fabrik Mutanten züchtet. Solo oder zu zweit ballert Ihr Euch in einer Draufsicht quer durch Soldaten, Mutanten sowie gepanzerte Fahrzeuge und sammelt dabei Waffen, USA-Flaggen, Schlüssel und Geiseln. Geplant war, dass der Spieler ein besseres Ende (mit den Frauen von Smash TV) nur zu sehen bekommt, wenn er alle Schlüssel findet. Ein Bug sorgt dafür, dass dieser Schluss immer erscheint, aber mit dem Text vom schlechten Ende.  

»Sinn des Spiels ist es, in allen Spielstufen so viele Gegner als möglich zu erledigen bzw. Panzer oder auch Militärfahrzeuge abzuschießen. An die Spitze der Hitparade gelangt derjenige, dem es gelungen ist, ohne Verlust des eigenen Lebens die Gegner zu erschießen. Der Antragsteller beantragt die Indizierung, weil das Videospiel auf Kinder und Jugendliche verrohend wirkt.«    

Auszüge aus der Indizierungs­entscheidung Nr. 4705 (V) vom 20.10.2003

”Treffen die Männer auf den Spieler, so wird er von diesen erschlagen und stirbt mit ­lautem Gebrüll. […] Nachdem der Spieler zahlreiche Menschen erschossen hat und nicht selbst getroffen wurde, begegnet ihm ein Panzer, den er in Brand setzen muss.
(…)
Die jugendgefährdende Wirkung ist auch offenbar […] da das Computerspiel permanent dazu auffordert, Menschen auf unterschiedliche Art und Weise zu töten. Damit ist die verrohende Wirkung des Computerspiels für jeden Zuschauer klar und zweifelsfrei erkennbar.
(…)
Die sozialethische Desorientierung rührt hier insbesondere aus der Einübung des gezielten Tötens. Die programmimmanente Logik bindet den Spieler an ein automatisiertes Befehls- und Gehorsamsverhältnis, dessen wesentlicher Kern das reaktions­schnelle, bedenkenlose Töten der zahlreichen menschlichen Gegner ist. Möglichkeiten des Ausweichens oder ähnlicher nonaggressiver Konfliktlösungen existieren nicht.
(…)
Ein erfolgreiches Durchspielen des Programms ist in jedem Fall an die Liquidation zahlloser Gegner gebunden, wobei dieses gleichzeitig auf mannigfaltige Art und Weise positiv gratifiziert wird.
(…)
Wie der Antragsteller zutreffend ausführt, ist die Taktik des Spiels einfach: ’Kill, kill, kill! Bewegt es sich, schießt ihr es über den Haufen. Bewegt es sich nicht, schießt Ihr es auch über den Haufen!’. Die Tötungsakte und ihre Folgen werden, wie der Antragsteller ebenfalls zutreffend ausführt, weitgehend realistisch visualisiert. Getroffene Gegner taumeln, lösen sich auf, platzen. Auch die eigene Spielfigur stirbt im Verlauf des Spiels mehrfach auf grausame Weise. Wenn sie auf eine Mine läuft, fliegt sie hoch in die Luft, brennend geht sie zu Boden, wenn sie von einem Flammenwerfer getroffen wird.”

In unserer Zeit, in der Mortal Kombat X ungeschnitten in Deutschland erscheint, kann man sich ein Grinsen nicht verkneifen, wenn man das Indizierungsprotokoll von ­Total ­Carnage liest. Natürlich dreht sich das Spiel um die Ausübung von Gewalt in einem an die Realität angelehnten Ort, jedoch wird das pixelige Geschehen mit viel Witz aufgelockert: Die Namen der Antagonisten (General Akhboob), der Schauplatz (eine Babymilch-Fabrik), die überall herumstehenden, in Urlaubskleidung steckenden Geiseln und das Ende im Smash TV-Pleasure-Dome durchbrechen das Gewalt-Szenario, wurden von der BPjM aber nicht weiter beachtet. Zu groß war scheinbar der Schrecken, dass Kinder hier Krieg spielen können. Bei grünem Blut und sich auflösenden Gegnern ausdrücklich von einer realistischen Visualisierung zu sprechen, mutet derweil auch im zeitlichen Kontext von 1994 seltsam an, macht aber deutlich, dass man sich eine detailliertere Gewaltdarstellung damals kaum vorstellen konnte. Des Weiteren ist im Protokoll nur von menschlichen Gegnern und Panzerfahrzeugen die Rede – die klar erkennbaren Mutanten fallen zusammen mit ihrer verfremdenden Wirkung unter den Tisch. An der Indizierungsargumentation hätte sich dadurch aber auch nichts geändert: Die Prüfer befürchten ausdrücklich nicht, dass jemand das Gespielte in der Realität anwendet, sondern dass er durch das reflexartige Töten den Respekt vor dem Leben und der körperlichen Unversehrtheit verliert.  

Du fragst Dich schon ewig, warum ein bestimmtes Spiel indiziert wurde? Dann schreib uns Deine Anregung an leserpost@maniac.de und wir gehen der Sache nach!

BigBen
I, MANIAC
BigBen

Das Original war m.W.n.mit rotem Blut…

Danijel78
I, MANIAC
Danijel78

Die BPjM war früher schlicht und ergreifend ein Verein medienfremder Heuchler. Man kann froh sein dass die Spiesser raus aus ihren Sesseln sind und nun nicht mehr weltfremde Alt-68er das Sagen in dem Laden haben.