Vom Amiga zum Metaversum

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Dieser Artikel stammt aus der M! 354 (März 2023).

MONTREAL / RIAD • Über die massiven Investments, die unserem Hobby und der Branche seit ein paar Monaten aus Arabien zufließen, berichteten wir auf diesen Seiten mehrmals, zuletzt und zusammenfassend im Jahresrückblick 2022 (M! 352). Nach dem saudischen Königshaus steigen nun auch private Unternehmer ein und satteln von alten Geschäftsfeldern auf Digital-Business, E-Sport und Web 3.0 um. Vor allem für Spieleveteranen mit bewiesenem Know-how und gewinnträchtigen Zukunftsvisionen interessieren sich arabische Geldgeber. So steckt das neue Label Sandsoft Games mit Sitz in der saudischen Hauptstadt Riad Anfang dieses Jahres 3,25 Millionen US-Dollar in den franko-kanadischen Game-Entwickler The Tiny Digital Factory (TDF).

Hinter Sandsoft steht der arabische Männermode- und Unterwäsche-Hersteller Ajlan & Brothers, 1979 gegründet und geführt von Scheich Abdulaziz Al-Ajlan, der als Vorsitzender der Handelskammer und Herr über zehn Firmen mit fast 10.000 Angestellten einer der prominentesten Geschäftsleute und Investoren in der MENA-Region (mittlerer Osten und Nordafrika) ist. Sandsoft betreibt Niederlassungen in Schanghai, Barcelona und Helsinki und beschäftigt als Publishing-Chef Miika Lindgren, einen Ex-Nokia- und Rovio-Profi, der davor Asphalt GT– und Angry Birds-Titel produzierte.

TDF wiederum wurde von einem der bekanntesten Spieleproduzenten Frankreichs gegründet: Stéphane Baudet kennen M!-Games-Leser mit gutem Gedächtnis noch aus den 1990ern, als wir ihn zu seinem PSone-Debüt V-Rally interviewten. Schon damals war Baudet ein Veteran der französischen Game-Entwicklung, erfand als früher Infogrames-Angestellter das Amiga-Taktikspiel North & South (1989) und entwickelte mehrere Asterix– und Die Schlümpfe-Titel. Sein V-Rally erwies sich als eine der wichtigsten Racing-Marken der späten 1990er. Seitdem bleibt Baudet dem Rennspiel-Genre treu und entwickelt mit seinem Studio Eden Games Test Drive Unlimited-, Driver– und F1-Titel. Im kanadischen Montreal gründet er 2015 TDF, um interaktiven Motorsport auf Smartphones und ins Internet zu bringen, und erfindet mit 30 Beschäftigten, die in der EU-Zweigstelle in Lyon sitzen, PS-Simulationen, die erst Free-to-Play (GT Manager für Android und iOS, 2020) und seit zwei Jahren ”Play-and-Earn” sind. TDFs aktuelles Projekt Revv Racing setzt voll auf Web 3.0, verwandelt Rennautos in NFTs und wird von Animoca Brands vermarktet, einer chinesischen Blockchain-Firma, die unter anderem Softbank, Ubisoft und Square Enix finanziert, Marken wie ”Power Rangers”, ”Rambo”, ”Pacific Rim” und ”WWE” digitalisiert und 2022 auch die Eden-Reste aufkauft. Wichtigstes Produkt der internationalen TDF/Animoca/Sandsoft-Allianz: Infinite Drive, ein ”Metaversum für Auto-Enthusiasten”, in dem sich für Krypto-Geld zum Beispiel Luxus-Boliden von Aston Martin erwerben lassen.

 

 

 

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Grausam. Der Titel klingt dazu noch verklärend bis werbend. Spiele der beschriebene Machart sind inhaltlich oft dümmlich, finanziell belastend und sozial schädlich.

Die Tatsache, dass Staaten beginnen sich unverblümt als Unternehmen zu inszenieren ist zudem alarmierend. Die Implikation ist, dass im Umkehrschluss Unternehmen auch Staaten sein könnten. Zu dieser Idee gibt es eine Menge Literatur, die das Szenario gelinde gesagt nicht vorteilhaft beschreibt.