Embracer – wächst transmedial mit Comic, Zeichentrick & Brettspiel

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Dieser Artikel stammt aus der M! 341 (Februar 2022).

KARLSTAD • Seit mehr als zwei Jahren befindet sich die Embracer Group auf einer ununterbrochenen Einkaufstour. Auch 2021 beenden das schwedische Unternehmen und seine Abteilungen THQ Nordic, Koch, Saber und Gearbox mit einer Multi-Übernahme. Dabei fällt auf, dass der Konzern, der bislang vor allem Game-Personal, -Technik und -Marken akquirierte, nun auf andere Mediensparten übergreift.

Im Dezember verkündet, aber noch nicht vollzogen ist ein 2,75-Milliarden-Euro-Investement, um den französischen Brett- und Rollenspiel-Konzern Asmodée zu erwerben. Der laut Wikipedia ”weltweit größte Spieleverlag” besitzt die beiden US-Hersteller Fantasy Flight (der neben Klassikern wie ”Cosmic Encounter” und ”Talisman” auch StarCraft-, Doom– und Descent-Tischumsetzungen vermarktet) und Days of Wonder (”Zug um Zug”, ”Small World”, ”Schatten über Camelot”) sowie die englischsprachigen ”Catan”-Rechte und seit 2018 den deutschen Brettspielverlag Lookout Games. ­Asmodée verkauft darüber hinaus PC- und iOS-Umsetzungen und übernimmt 2021 die Online-Brettspielplattform BoardGameArena mit ihren gut 6 Millionen Mitgliedern. Die Brettspielmacht soll Embracers neunte ”Operating Group” werden, besitzt 22 Studios, über 300 IPs und fast 1.000 Spiele.

Ähnliche Synergien strebt der Embracer-Konzern im Comic-Sektor an, indem er Dark Horse zur zehnten ”Operation Group” macht. 1986, zu Beginn von Direktverkauf-Boom und Superhelden-Revival gegründet, etabliert sich der US-Verlag mit Weltklassekünstlern (Miller, Byrne, Gibbons, ”Grendel”-Schöpfer Matt Wagner, Mike ”Hellboy” Mignola) und vielen Manga-Übersetzungen als Nummer drei hinter DC und Marvel. Mit Dark Horse kommen 300 Marken zu Embracer, knapp 200 Angestellte unter Gründer Mike Richardson und ein Filmstudio (das zum Beispiel ”The Mask” produzierte).

Film- und TV-Erfahrung hat auch die ungarische Technik-Holding DIGIC. Sie beginnt als Partner des Hollywood-Produzenten Andrew Vajna, der seine Landsleute ursprünglich für Kino-SFX-einsetzt, etwa für ”Terminator 3”. Seit 15 Jahren ist DIGIC auf Rendering und SFX von Videospiel-Intros und -Zwischensequenzen spezialisiert: Mit über 400 Beschäftigten, Motion-Capture- und Fotogrammetrie-Studios erstellen die Ungarn CGI-Sequenzen, Trailer und Werbung für Halo 4, Destiny 2, Sekiro: Shadows Die Twice sowie zig Assassin’s Creed– und Call of Duty-Episoden. Geben Kreditgeber und ungarische Regierung ihr Go, wird DIGIC der Saber-Gruppe untergeordnet. Deren Boss Matthew Karch behauptet: ”DIGIC ist das beste Animationsstudio der Welt: mehr Animationen als jedes andere, unglaubliche Inhalte für Streaming-Partner wie Netflix!”

Eine massive Investition in den MMO-Sektor wiederum stellt Embracers Komplettübernahme aller westlichen Teile des chinesischen Herstellers Perfect World dar. Dazu gehören die kalifornischen Cryptic Studios, die Macher und Betreiber von Neverwinter, Champions und Star Trek Online. Knapp 240 Köpfe stark, soll Perfect World Gearbox zugeordnet werden und dafür ein 125-Millionen-Dollar-Cash- und -Aktien-Batzen fließen. Zwei weitere Ende-2021-Übernahmen sind gegenüber diesen Großtransaktionen eher unauffällig: Zum einen kauft Embracer den Internet-Video-on-Demand-Sender Spotfilm Networx, der mit 20 Beschäftigten und Sitz in Berlin die gleichnamige Streaming-Seite, den werbefinanzierten Spielfilmkanal Netzkino, 22 VOD-Kanäle sowie 3.000 Videos auf YouTube betreibt. Während Spotfilm zu Kochs ­Videogeschäft kommt, schnappt sich Saber in Kalifornien den kleinen Game-Entwickler Shiver Entertainment. Von Xbox-, EA- und Tiburon-Veteranen 2013 gegründet, erfindet Shiver für Warner Scribblenauts Showdown und setzt Mortal Kombat 11 auf Switch um. Zählten wir richtig mit und sind alle sechs Akquisitionen in trockenen Tüchern, umfasst die weltweite Embracer-Belegschaft bald 12.000 Köpfe in mehr als 50 Ländern, 120 Studios und 1.000 Marken – spätestens mit Dark Horse und ­Asmodée wird Embracer zum größten Entertainment-Lieferanten Europas.