Tamagotchi fürs Handgelenk

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Dieser Artikel stammt aus der M! 335 (August 2021).

TOKIO • Ist es wirklich schon ein Vierteljahrhundert her, dass sich eine Generation von Heranwachsenden (und notgedrungen auch deren Eltern) um Tamagotchi kümmerten, ein virtuelles Haustier, das zig Bedürfnisse, aber null Talente hat, und das – ständige Hinwendung vorausgesetzt – ein paar farblose Pixel groß wird? Mit dem Mini-Display- und 4-Bit-CPU-bestückten Plastik-Ei und Nachfolgern wie 2004 Tamagotchi Connexion (inklusive Infrarot-Link zur Paarung) gelingt Bandai ab 1996 einer der größten Erfolge der Firmengeschichte. Der japanische Konzern erbringt den Beweis, dass Menschen sich auch in primitivste Interaktion verlieben können, ihr Spielzeug wie ein echtes Lebewesen hegen und pflegen. Über drei Knöpfe will das frisch geschlüpfte Tamagotchi-Küken gefüttert, bespielt und manchmal auch getadelt werden, damit es nicht verendet, sondern wächst, gedeiht und glücklich bleibt. Gedacht war Tamagotchi als Haustierersatz für die engen Wohnverhältnisse in japanischen Großstädten, wird aber auch im Rest der Welt zum Renner. Nach zehn Jahren sind 50 Millionen, zum 20. Geburtstag 82 Millionen Tamagotchis verkauft; nicht eingerechnet Bandai-eigene Varianten (etwa Digimon, die trainiert und über eine Schnittstelle ins Duell geschickt werden) und ­ungezählte Nachahmungen anderer Spielzeughersteller (wie Love Chu, die sich zusammenstecken lassen, um sich fortzupflanzen).

Mit Tamagotchi Smart kommt am 23. November die jüngste Generation des virtuellen Begleiters in den japanischen Handel. Zum 25. Geburtstag wird das ursprüngliche Konzept der Erfinder Akihiro Yokoi und Aki Maita umgesetzt: Das erste Tamagotchi war von ihnen als Armbandgerät geplant, wird dann jedoch bis heute als Anhänger für Schlüsselbund und Co. vermarktet. Tamagotchi Smart kostet 7.500 Yen, umgerechnet knapp 60 Euro, und ist eine rundliche Armbanduhr mit Farbdisplay und erweiterten Interaktions- und Kommunikationsmöglichkeiten: Das Tamagotchi reagiert auf Touchscreen-Streicheln, gehorcht der menschlichen Stimme und äußert in Sprechblasen Kommentare und Wünsche. Wie die Vorfahren zählt es die Schritte der User und tauscht sich drahtlos mit anderen aus. Da die Smartwatch nicht internetfähig ist, verkauft Bandai zusätzliche Inhalte, Klamotten, Accessoires und Screen-Einrichtungsgegenstände auf kleinen Steckkarten (Tama­SmaCards genannt), die jeweils 1.100 Yen, umgerechnet rund 8,50 Euro, kosten. Ob, wann und zu welchem Preis Tamagotchi Smart im Westen erscheint, gab Bandai noch nicht bekannt.