Battlefield 3 – im Test (360/PS3)

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Um sich mit dem Shooter-Giganten Call of Duty zu messen, bestückte der schwedische Entwickler DICE seine Militär-Ballerei erstmals mit einer Solo-Kampagne. Diese Ehre wurde in der Vergangenheit nur den beiden Bad Company-Spin-offs zuteil, die sich durch ihren Humor angenehm vom bierernsten Hardcore-Patriotismus des Activision-Spiels abhoben. Ganz anders Battlefield 3: Es regiert militärischer Befehlston, für Scherze ist keine Zeit. Und nicht nur hier orientieren sich die Entwickler am Genre-Primus: Während der knapp sechs Stunden dauernden Kampagne mimt Ihr neben einer Handvoll Protagonisten hauptsächlich Sergeant Blackburn, der während eines Verhörs Einsätze aus der Vergangenheit nacherzählt (siehe Black Ops) und versucht, die CIA vor einem Bombenanschlag zu warnen. Dazu gesellen sich eine Atombombenexplosion, eine Live-Exekution und eine Flugmission, die frappierend an den viel diskutierten ’Tod von oben’-Einsatz erinnert (siehe Modern Warfare).

Ist Battlefield 3 also ein reiner CoD-Abklatsch? Nicht ganz. Patriotische Parolen sind eher die Ausnahme und das Spiel erlaubt sich nachdenkliche Momente, wenn Ihr etwa in der gleißenden Wüstensonne sehnsüchtig den Glücksbringer Eures Sohnes betrachtet. Wenn Euch dann aber wieder Kugeln um die Ohren pfeifen, versiegt die Träne im Knopfloch schnell. Im Gefecht liefert die Kampagne, in der Ihr auch in einen Jet und einen Panzer steigt, eine gemischte Leistung ab. Einerseits sind die Atmosphäre erstklassig und die Schießereien fordernd, bereits auf normaler Schwierigkeitsstufe sterbt Ihr sehr schnell. Andererseits stören lahme Quick-Time-Events und sehr eng gesteckte unsichtbare Levelgrenzen das Bild. Kommt Ihr wenige Meter vom vorbestimmten Pfad ab, wird das Bild grau und Ihr habt nur einen kurzen Moment Zeit, wieder in den Schlauch zu rennen, den die Entwickler Euch zugestehen. Auch in Sachen Dramaturgie muss DICE nachsitzen. Wäre die audiovisuelle Präsentation nicht so beeindruckend, unsere Kinnlade hätte sich kaum nach unten bewegt.

Battlefield 3 sitzt zwischen den Stühlen: Für ein reines Hollywood-Spektakel sind die epischen Momente zu kraftlos und mittelmäßig präsentiert, für eine beinharte Militärsimulation Marke Armed Assault ist die Geschichte zu abgehoben und verworren.

Sorgt die Kampagne mitunter für Stirnrunzeln, begeistert der anspruchsvolle und packende Mehrspieler-Modus auf ganzer Linie. Es rumpelt und kracht an allen Ecken und Enden der neun Schlachtfelder, denn DICE lässt Euch traditionell nicht nur zu Fuß aufeinander los: Im Gegensatz zu Call of Duty schlüpft Ihr nach dem flügellosen Bad Company 2 endlich wieder in das enge Cockpit eines Jets, sorgt mit einem Hubschrauber für Luftunterstützung oder versetzt normale Infanterie mit einem Kampfpanzer in Angst und Schrecken. 22 Land-, Luft- und Wasserfahrzeuge haben die Entwickler in den Mehrspieler-Modus gepackt, für die Ihr vom Nebelwerfer bis zur Aktivpanzerung zahlreiche Extras freispielt, wenn Ihr Euch oft ans Steuer setzt. Dasselbe gilt für Waffen und Ausrüstung der vier Soldatenklassen: Seid Ihr zum Beispiel häufig als Versorgungssoldat unterwegs und nutzt dabei immer das gleiche Maschinengewehr, verfügt Ihr bald über größere Magazine, einen Mörser und verbesserte Zielvisiere (die für jede Waffe erneut freigeschaltet werden müssen).

Wie viele Abschüsse Ihr noch bis zum nächsten Extra braucht und was Ihr zuletzt freigespielt habt, erfahrt Ihr mit dem kostenlosen Battlelog-Service. Die Facebook-artige Webseite bietet detaillierte Statistiken und ermöglicht Euch die Organisation in Platoons und das Vergleichen mit Freunden. Eine sinnvolle Neuerung, da Ihr hier auch umfangreiche Beschreibungen zu Schießprügeln und Upgrades findet, denn eine gedruckte Anleitung fehlt.

Im Gegensatz zu CoD handelt es sich bei der Battlefield-Serie um eine Mannschaftssportart und das ändert sich auch im aktuellen Teil nicht. Wollt Ihr in den zentralen Spielmodi ’Rush’ und ’Conquest’ Funkstationen sprengen und Flaggen einnehmen, braucht Ihr Deckung von Mitspielern. Fahrzeuge entfalten ihr volles Potenzial erst, wenn sie mit fähigen Piloten und zielsicheren Schützen bemannt sind, und Ihr bekommt reichlich Erfahrungspunkte und Auszeichnungen, wenn Ihr Euer Team mit Munition sowie Heilpaketen versorgt, Kameraden wiederbelebt, Unterstützungsfeuer liefert, Vehikel repariert oder Gegner markiert, damit sie auf dem Radar sichtbar werden. Hier liegt aber auch die Krux: Erwischt Ihr per Quickmatch oder Serverbrowser eine gute Mannschaft, machen die Matches auch Spaß, wenn Ihr nicht über pfeilschnelle Reflexe verfügt. Startet Ihr aber in einem Haufen Einzelgänger, vergeht Euch schnell die Lust, wenn Ihr von einem eingespielten Team gnadenlos zerpflückt werdet. Es kann außerdem passieren, dass Ihr als Passagier in einen Hubschrauber steigt, dessen Pilot gerade die ersten Flugversuche macht und den Vogel keine zehn Sekunden in der Luft hält. Dann heißt es Nachsicht zeigen oder sich im Ernstfall eine andere Spielwiese suchen. Trotz einiger Wochen Laufzeit krankt das Spiel noch an Lags und Aussetzern im Voice-Chat. Außerdem landet Ihr und Eure Freunde oft in unterschiedlichen Teams, obwohl Ihr eigentlich im gleichen Squad starten solltet.

Als Leckerbissen gibt es sechs kurze Koop-Missionen für zwei Spieler, leider ohne Splitscreen-Funktion. Hier erwarten Euch packende Einsätze, die auch der Einzelspieler-Kampagne gut gestanden hätten. Fleißige Duos schalten dabei zusätzliche Waffen für den normalen Mehrspieler-Modus frei.

Als die ersten Videos von Battlefield 3 im Internet auftauchten, herrschte in der Spielergemeinde sprachloses Staunen. So gut ist die Grafik? Doch sicher nur auf hochgerüsteten PCs?! Mitnichten, die Konsolenfassung sieht auf beiden Systemen klasse aus! Bei der Xbox 360 müsst Ihr dafür extra 1,5 GB HD-Texturen installieren, auf der PlayStation 3 passiert das automatisch. Die Licht- und Raucheffekte der Frostbite-2-Engine suchen ihresgleichen: Fallen Sonnenstrahlen durch Fenster in einen dunklen Raum oder reflektiert das Licht auf der Panzerung von Armeefahrzeugen, verwischt fast die Grenze zur Realität. Ein Eindruck, der auch nicht durch den gut wirkenden, aber unrealistischen Lens-Flare-Effekt verwässert wird. Und wenn Ihr zum ersten Mal durch die träge davonziehenden Rauchschwaden eines ausbrennenden Panzers fahrt oder durch die Staubwolke eines gerade eingestürzten Hauses rennt, könnt Ihr den aufgewirbelten Dreck fast schmecken. Apropos rennen: Die Animationen der Soldaten sehen dank ANT-Engine aus der FIFA-Serie sehr realistisch aus und das Bewegungssystem ist für einen Militärshooter sehr variabel. Mit gedrückter Sprung-Taste schwingt Ihr Euch dynamisch über Mauern und Zäune, außerdem dürft Ihr Euch im Gegensatz zu Bad Company 2 nicht nur ducken, sondern auch flach auf den Boden legen.

Hier und da zollt Battlefield 3 aber der limitierten Konsolen-Power Tribut. Mitunter gerät das Spiel ins Stocken, manchmal mangelt es an Details, Kanten flimmern und Texturen stellen sich nur langsam scharf. Da das Spieltempo aber meist gemäßigt ist, fallen diese Schwächen nicht groß ins Gewicht.

Der Shooter treibt Euch nicht nur grafisch Tränen der Freude in die Augen, er lässt auch Eure Ohren vergnügt schlackern. Waffen- und Fahrzeuggeräusche wurden direkt an der Quelle aufgenommen und bieten eine Schlachtfeldatmosphäre erster Güte. Abseits dumpfer Artillerieschläge und ratternder MGs überzeugen auch die Sprecher, Ihr solltet allerdings zum optionalen, glaubwürdigeren englischen Ton greifen.

Wer eine Surround-Anlage besitzt, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus: Sniperkugeln zischen derart realistisch durchs Wohnzimmer, dass Ihr angsterfüllt den Kopf einzieht, Eure Waffen hämmern mit mächtigem Druck Projektile in den Raum und Bombeneinschläge massieren die Subwoofermembran. Referenz!

Bei unseren ersten Proberunden herrschte kollektive Verwirrung: Ist der Controller ausgeleiert? Passt die Feinjustierung nicht? Haben wir das Zielen verlernt? Nach etlichen Spielstunden steht fest: Die Steuerung von Battlefield 3 ist nicht auf Top-Niveau und reagiert trotz manuellen Feintunings entweder zu träge oder viel zu hektisch. Spätestens nach dem Ende der Kampagne hat man sich aber daran gewöhnt und zieht ohne Probleme über die Mehrspieler-Schlachtfelder. Doch an die Präzision eines Modern Warfare kommt der schwedische Herausforderer nicht heran.

Die Kontrolle von Boden- und Wasserfahrzeugen geht schnell in Fleisch und Blut über, Jets und Hubschrauber verlangen aber serientypisch eine Menge Fingerspitzengefühl, bis Ihr statt Bruchlandungen elegante Schleifen hinbekommt. Der Luftraum bleibt damit ausdauernden Profis überlassen.

+ Sound ist absolute Referenzklasse
+ taktischer und motivierender Mehrspielermodus
+ Panzer, Jets, Hubschrauber

– die flache Solokampagne
– schwerer Einstieg
– Steuerung ist gewöhnungsbedürftig

Tobias Kujawa meint: CoD-Spieler gehen zu Fuß, ich nehme lieber einen Panzer! Aufgrund der großen Auswahl an Fahrzeugen hat mich die Battlefield-Serie schon immer mehr interessiert als Activisions Hochgeschwindigkeits-Ballerei. Und so fahre ich mit einem seligen Grinsen im Stahlkoloss durch die Gegend, mache ganze Gebäude dem Erdboden gleich und genieße den perfekten Sound und die tolle Grafik. Durch Ribbons, Freischaltungen und Medaillen habe ich immer das Gefühl, vorwärts zu kommen, und der Fokus auf Teamarbeit liegt mir. Einfach ein Munitionspäckchen an einer umkämpften Front ablegen, verschwinden und beobachten, wie die Punkte auf mein Konto prasseln! Wirklich schlechte Maps gibt es nicht, allerdings sind die richtig großen Karten wie etwa ’Caspian Border’ schon fast zu groß für die läppischen 24 Spieler, die DICE den Konsoleros zugesteht. Wenn mir das nicht passt, wechsle ich im Gefecht relativ schnell und unproblematisch den Server, komischerweise aber nicht zwischen den Matches. Eine krude Designentscheidung, die genau wie die Einzelspieler-Kampagne von ungewohnter Schlamperei zeugt. Apropos Kampagne: Was haben sich die Entwickler nur dabei gedacht? Wenn man schon den Genre-Primus herausfordert, dann bitte technisch und spielerisch fehlerfrei und vor allem mit eigenen Ideen! So fühle ich mich eher an das durchwachsene Medal of Honor erinnert – und mal ehrlich, wer weiß denn noch, was da passierte? Immerhin ist das Solo-Kapitel schon nach kurzer Zeit geschlossen und so bleibt mehr Zeit, mir noch ein oder zwei Visiere für mein MG freizuspielen und endlich die Mörser-Medaille zu ergattern! Für Mannschaftssportler mit Freude an audiovisueller Spitzenklasse ist Battlefield 3 erste Wahl, strikte Solisten suchen Ihr Glück anderswo.

Matthias Schmid meint: Irgendwie bezeichnend, dass die Kampagne von Battlefield 3 dann am stärksten ist, wenn sie sich besonders eng an den beiden Modern Warfare-Episoden orientiert. DICE wollte ”MW” nacheifern, etwas vom großen Geldkuchen abhaben – und dafür braucht man immer noch einen Story-Modus. Der hat mir trotz der dramaturgischen Unzulänglichkeiten (z.B. sieht man den Blitz einer A-Bombe, wird dann aber um die Explosion ’betrogen’) anscheinend viel besser gefallen als dem Kollegen Kujawa. Die Schwierigkeitsstufe ’normal’ ist zwar locker zu schaffen, zwingt mich aber, regelmäßig die Rübe einzuziehen – gut so! Auch habe ich die Momente ohne Ballereien genossen: Mit den toll animierten KI-Kumpanen durch lichtdurchflutete Treppenhäuser samt Mirror’s Edge-Farbtupfer zu sprinten, während gedämpfte Waffensounds ans Ohr dringen, ist ein Erlebnis. Warum mir DICE in den Nachtmissionen partout keinen Restlichtverstärker geben will, verstehe ich jedoch nicht. Ebensowenig, warum das Zerstören von Gebäuden in der Kampagne völlig außen vor bleibt.

Was für ein Brett! ”Battlefield 3” fasziniert im Mehrspieler-Modus dank großer Vielfalt und starkem Taktik-Fokus. Mit der lauwarmen Einzelspieler-Kampagne haben sich die Entwickler aber keinen Gefallen getan.

Singleplayer87
Multiplayer
Grafik
Sound