Ico & Shadow of the Colossus Collection – im Test (PS3)

Sonys HD-Collection entfacht einen alten Konflikt in der M!-Redaktion aufs Neue: Die eine Fraktion prangert spielmechanische und technische Unzulänglichkeiten an, die zweite lobpreist hingegen die außergewöhnlichen Spielkonzepte und die poetisch-bewegenden Geschichten der beiden PS2-Titel Ico (2001) und Shadow of the Colossus (2005) – doch wer hat Recht? Wie schlagen sich die Abenteuer im Jahr 2011?

Im Zuge der HD-Überarbeitung erstrahlen beide Spiele nun im Breitbildformat, wahlweise auch in ’Vollpixel’-Darstellung ohne schwarze Rahmen. Ico läuft stets ruckfrei mit 30 Bildern pro Sekunde, selbst in einer nativen 1080p-Auflösung und im 3D-Betrieb. Shadow of the Colossus hingegen spielt Ihr besser in 720p, da 1080p-Darstellung hier über eine Hochskalierung von 960 x 1080 Pixeln erreicht wird, was zu leichten Verzerrungen führt. Zwar wurde auch hier die Bildrate verbessert und erreicht meist stabile 30 pro Sekunde, im 3D-Betrieb fällt sie jedoch spürbar ab auf die alten PS2-Werte. Störender als noch im Original fallen hier Pop-Ups im Hintergrund sowie vereinzelte Clipping-Fehler auf. Trotz der weitgehend behutsamen Bearbeitung sind in beiden Spielen einige Texturen nicht sonderlich hübsch anzusehen, auch die Animationen der beiden Helden wirken nach heutigen Maßstäben ungelenk.

Ico beginnt damit, dass ein gehörnter Junge von Mitbewohnern seines Heimatdorfes aus Angst in einem entlegenen Tempel eingesperrt wird. Bald trifft der kleine Ico auf Yorda, ein weiß gekleidetes, schemenhaft anmutendes Mädchen, das in einem Käfig gefangen ist. Die beiden sprechen verschiedene Sprachen, keine davon ist für den Spieler verständlich. Doch auch ohne ausschweifende Erklärungen ist die Aufgabe verständlich: Ico nimmt Yorda per Druck auf die rechte Schultertaste bei der Hand und führt sie durch die labyrinthartigen Gemäuer. Dabei muss Ico immer wieder Schalter betätigen, Kisten verschieben und Kletterpassagen meistern, um für Yorda einen einfachen Weg zu ebnen. Ruft sie im geeigneten Moment herbei, damit sie magische Pforten öffnet, durch die Euer Gespann weitere Bereiche des Schlosses erreicht. Unterbrochen werden die zunehmend komplexen Geschicklichkeits- und Knobeleinlagen durch Angreifer aus der Schattenwelt: Bizarre Schemen versuchen, Yorda zu entführen, Ico verhindert dies durch Stockhiebe und zerrt Yorda immer wieder in letzter Sekunde aus schwarzen Löchern.

Shadow of the Colossus erzählt von einem Jüngling, der mit dem Leichnam seiner Geliebten in ein verwunschenes Land reitet, um in einem Tempel die dort ansässige Gottheit zu bitten, das Liebchen wiederzubeleben. Mit der Mahnung, dass der Wunsch einen hohen Preis fordere, verlangt der Gott zunächst den Tod 16 kolossaler Wesen in seinem Land. Der Jüngling willigt ein und sucht mit seinem eigenwilligen Ross Agro in der weitläufigen Landschaft nach diesen Kreaturen aus Gestein, Pflanzen und Fell. Daneben finden sich hier nur vereinzelte Eidechsen, im Tempel sitzen Tauben und sporadisch kreist ein Vogel über Eurem Haupt – Gegner gibt es nicht. Selbst die Kolosse an Land, im Wasser und in der Luft sind friedlich. Erst wenn Ihr sie mit Pfeilen malträtiert, greifen sie an. Analysiert ihr Verhalten und erklimmt mit entsprechender Taktik und Timing ihre Körper. Begrenzte Ausdauer für Festhalten und Klettern sowie sich wild schüttelnde Opfer erschweren die Suche nach verwundbaren Punkten, in die Ihr Euer Schwert rammt, bis die Riesen zu Boden gehen und Ihr im Tempel wieder erwacht – bereit zur nächsten Jagd!

+ zwei einzigartige Spiele auf einer Disc
+ kluge Rätsel bei Ico
+ ungewöhnliches Spielkonzept bei Shadows of the Colossus
+ Atmosphäre top, Stil klasse, Geschichten mit Bedeutung
+ fantastische Muskuntermalung

– Steuerungs- und Kameradefizite bei Shadow of the Colossus
– grafische HD-Überarbeitung und 3D-Modus nicht durchweg gelungen
– repetitive Kämpfe bei Ico

Michael Herde meint: Dass beide Spiele Macken unter anderem bei der Steuerung haben, lässt sich nicht leugnen. Wie Olli fluche auch ich beim x-ten Versuch, auf Agros Rücken zu klettern oder wenn meine beiden Helden nach Treffern ewig am Boden herumliegen. Leider versäumt die HD-Aufbereitung, derartige Schwächen auszumerzen. Doch in beiden Spielen stehen nicht die bloße Spielmechanik oder Technik im Vordergrund, vielmehr ist es die Poesie, das besondere Erlebnis dahinter. Ico ist ein stilles Kleinod mit traumhafter Geschichte und ansprechenden Rätseln, Shadow of the Colossus lässt mich wie kein zweites Spiel meine videospieltypischen Taten reflektieren: Beim langen Ritt durch leere Landschaften frage ich mich, weshalb ich überhaupt einen Koloss nach dem anderen angreife – das Ende ist denn auch eines der besten überhaupt.

Oliver Schultes meint: Was haben die Entwickler eigentlich seit der Ankündigung 2009 gemacht? Einen 3D-Modus eingebaut und die Auflösung ein wenig erhöht. Enttäuschend. Dass ein Shadow of the Colossus arge Defizite in puncto Spielbarkeit hat (vom fast zufallsartigen Aufsitzen über die hakelige, träge Steuerung und das langatmige Aufstehen bis hin zur mitunter chaotischen Kamera) – das schien niemanden zu interessieren. Diese ”Kleinigkeiten” haben mir schon auf der PS2 den Spielspaß vergällt – und sie tun es auch heute noch. Schade drum, denn inhaltlich bleibt die Jagd nach den Kolossen ein besonderes Erlebnis. Ico ist für mich der stärkere Part der Collection.

Technisch angegraute Sammlung zweier einzigartiger Erlebnisse fernab von tosender Mainstream-Action.

Singleplayer		85
Multiplayer
Grafik
Sound