Der tote Winkel von Electronic Arts

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Hä? Ein Spiel über den Bereich im toten Winkel? Ein Blick ins Wörterbuch führt zwangsläufig in die Irre, will man den Titel von EAs Horror-Action „Dead Space“ verstehen. Hier muss um die Ecke gedacht werden, schließlich geht’s in Dr. Isaac Clarkes Abenteuer nicht ums Autofahren. Und das ist auch gut so. Vielmehr sorgt die Splatterorgie im Weltall für gemischte Gefühle bei Spiele-Schreiberlingen wie mir. Der deutsche Jugendschutz ist einmal mehr Stein des Anstoßes, schließlich ist „Dead Space“ dermaßen brutal, dass die USK auch im zweiten Anlauf eine Freigabe verweigert hat, in Kürze steht der dritte Versuch an. Wie in der aktuellen M! zu lesen ist, bin ich davon überzeugt, dass dieses Spiel bei uns niemals erscheinen wird. Und genau da liegt der Hund begraben: Dass „Dead Space“ bei uns nicht erscheint ist ein Verlust für jeden Horrorfreund. Natürlich, der Weg zum Importhändler steht offen, aber wer die englische Sprache nicht gut beherrscht, hat das Nachsehen, denn eine deutsche Tonspur gibt es nicht. Dennoch kann ich nur sagen: Kaufen, unbedingt!Als ich vor ein paar Wochen eine Vorabversion bekam, dachte ich noch: Ach ja, dieses Weltraumgemetzel, über das Jan und Matthias bereits ein paar Previews geschrieben haben. Seh’ ich’s mir halt auch mal an. Gesagt, getan, geschockt: Survival-Horror sah nie besser aus und hat mich im Sturm erobert. Plötzlich war „Silent Hill Homecoming“ nur noch altbackener Käse, der mir egal war. Auch die Testversion von „BioShock“ für PS3 hat mich nicht mehr interessiert, so gut das Spiel auch ist. Nach vielen Stunden Konsolenhorror dann der Albtraum eines jeden Zockers: Am Anfang von Kapitel 7 meldete die Xbox 360 plötzlich, dass die Disk nicht gelesen werden könne. Ich bin ausgeflippt. Ohne Vorwarnung brach das Spiel einfach ab, das mich zwei Nächte lang an die Grenzen des Erträglichen geführt hat. Ein Anruf bei Electronic Arts brachte ernüchternde Klarheit: Da das Spiel noch nicht fertig war, wurde die Vorab-Version begrenzt. Doch ich hatte Glück: Letzte Woche trudelte wider Erwarten eine Test-Version ein und meine Jubelschreie dröhnen noch heute in den Ohren der Kollegen. Ab nach Hause und den Rest gezockt, während meine Freundin unbeirrt neben mir saß und versuchte auf die nächste Uni-Klausur zu lernen. Allzu leicht habe ich es ihr aber nicht gemacht. In schöner Regelmäßigkeit bin ich zusammengezuckt, habe geflucht, den Controller vor Schreck schier fallen gelassen oder fassungslos nach Atem gerungen. So kann sie schlecht lernen. Aber es ist für mich ja Arbeit und kein Vergnügen (haha) und mittlerweile bin ich durch. Sie kann wieder lernen und ich nerve die Kollegen. „Marcus, hab’ ich’s heute schon erzählt? ‚Dead Space’ ist ja sooo geil!“ Augenrollen. Zuletzt lief das in der Redaktion so, nachdem ich vom Pariser Test-Event zu „Metal Gear Solid 4“ zurück gekommen war. Und tatsächlich: Auch wenn die beiden Titel überhaupt nicht vergleichbar sind, so buhlen nun beide um den Titel „Spiel des Jahres“ des mh. Ich mag Survival-Horror, beklage aber seit langem, dass irgendwie nichts Spektakuläres mehr passiert. „Resident Evil 4“ halte ich für ein exzellentes Spiel, gruselig finde ich es aber nicht. Thema verfehlt, setzen! „Silent Hill Origins“ war okay, hatte aber nervige Momente. Was ich bisher von „Silent Hill Homecoming“ gesehen habe, hinterließ einen zwiegespaltenen Eindruck, über den ich auch auf der Games Convention mit einem der Entwickler gesprochen habe. Zu hoch scheint mir der Action-Anteil im späteren Spielverlauf, zumal die Vorab-Version noch kein vernünftiges Balancing aufwies. „BioShock“ hingegen fand ich phasenweise ziemlich beklemmend. Die Geister-Knipserei von „Project Zero“ ist bislang an mir vorbei gezogen, ein bisschen Action mag ich als Ego-Shooter-Tester vom Dienst dann doch haben. Bei „Rule of Rose“ ist allenfalls der Soundtrack ein Hit. Herrscht also Ebbe im Gruselland? Der Fortsetzungsspezialist EA gelobte ja unlängst Besserung, was das Produkt-Portfolio betrifft. Und voilá: „Dead Space“ zeigt in kompromissloser Härte und Direktheit, dass das keine leeren Worte waren. So sehr ich auch nach Schwachstellen suche, sie sind kaum auszumachen. Vereinzelt ist der Echtzeit-Schatten meines gepanzerten Helden arg pixelig, aber das fällt in der restlichen Grafikpracht kaum auf. Die Story lässt sich genretypisch viel Zeit und trägt das Spiel bis zum Ende, auch wenn sie das Rad nicht neu erfindet. Zwar ist die Steuerung arg komplex und erfordert Eingewöhnung, dann aber liefert sie das perfekte Rüstzeug, um im blutgetränkten Stahlbauch der Ishimura zurecht zu kommen. Mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks prügelt „Dead Space“ auf mein Nervenkostüm ein. Jeder Schocker sitzt, Vorhersehbar? Kaum. Selbst wenn: Das grandiose Monsterdesign lässt die Körperhärchen trotzdem strammstehen. Wenn ich halbtot mit dem Rücken zur Wand stehe und eine Hand voll Fleischwesen auf mich losstürmen, bricht Panik aus. Vor allem, wenn die Munition knapp ist. Dabei gibt es nicht einmal Musik. Stattdessen wummern Maschinen, brüllen bizarre Gestalten, kreischen die Sägeblätter meiner Lieblingswaffe, während sie sich in entstelltes Fleisch fressen und großzügig Blutfontänen in der Umgebung verteilen. Am Wochenende ist mir erstmals aufgefallen, dass manchmal eine leise Frauenstimme „Twinkle twinkle little star“ singt“. Kennt man aus einem der Trailer, kommt im Spiel aber noch fieser rüber. Ewig könnte ich von der außerordentlich dichten Atmosphäre des Spiels schwärmen. Die große Frage muss aber vielmehr lauten: Warum ist das Spiel so toll? Nur, weil es saumäßig brutal ist? Nein! Auch spielerisch leistet sich „Dead Space“ kaum Aussetzer. Nur gegen Ende gibt es zwei, drei Stellen, wo in „Doom 3“-Manier die Türen plump zugehen und Monster kommen. Ansonsten marschiere ich nicht einfach durch dunkle Metallschläuche und schlachte eklige Kreaturen. Vielmehr gibt es zahlreiche Momente, in denen Köpfchen gefragt ist. Die Einleitung des Spiels schickt mich als Ingenieur auf ein riesiges Minenraumschiff, zu dem keinerlei Funkkontakt mehr besteht. Irgendwas ist auf dem Planeten passiert, in dessen Orbit die Ishimura kreist. Da das Schiff hier und da beschädigt ist, gibt es immer wieder luftleere Räume oder solche, in denen die künstliche Schwerkraft aussetzt. Während ich also frei von Wand zu Wand springe und agile Monstrositäten bekämpfe, gilt es dauernd, irgendwelche Maschinen und Gerätschaften zu reparieren, zu aktivieren und so weiter. Im Prinzip Standardkost aus dem Missionsdesigner-Baukasten, die aber hervorragend ins Spiel integriert ist und von vielen tollen Elementen begleitet wird. Ich will Euch das Erlebnis nicht verderben, deshalb bleiben meine Angaben vage. Die Rätsel geben dem Spiel auf jeden Fall den nötigen Anspruch. Dazu gibt’s diverse Gegnertypen, die unterschiedliches Vorgehen erfordern, aufrüstbare Waffen, Anzüge und Fähigkeiten. Schocker, Gore und High-End-Grafik vom Feinsten. Voraussichtlich wird es in der M! keinen Test geben, zumal sich der dritte USK-Termin mit unserem Redaktionsschluss überschneidet und die Indizierungsgefahr einfach zu groß ist. Man zerteilt ja nicht nur mutierte Wesen, sondern kann herumliegende Leichen mit beherzten Fußtritten zerstückeln, was übrigens – ohne zu viel zu verraten – taktisch sinnvoll ist.Mich hat das Spiel gepackt wie selten ein Horror-Game. Mit der Subtilität früher „Silent Hill“-Episoden hat „Dead Space“ nichts gemein. Hier geht’s voll auf die Zwölf in technischer und spielerischer Perfektion. Die Entwickler haben das beste aus den Genre-Vorbildern zusammengetragen und zu einem kalten, beklemmenden Meisterwerk verschmolzen, dessen letztes Bild im Abspann mir Tage später immer noch kalte Schauer über den Rücken jagt.

Tiuri
I, MANIAC
Tiuri

“”Wie in der aktuellen M! zu lesen ist, bin ich davon überzeugt, dass dieses Spiel bei uns niemals erscheinen wird.””–> Tja, so kann man sich irren. *grins* Ich freu mich schon auf den Titel, die Demo auf der GC war jedenfalls genial!

hoiji
I, MANIAC
hoiji

Aber einen Onlinetest wird es doch geben ? Das hier klingt schon mal sehr sehr vielversprechend ! Freu mich schon auf den Titel.