Akte BPjM – Panzer General

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1997

Mitte der 1990er stellten SSI und Mindscape Strategiespieler auf die Seite des Deutschen Reichs und übertrugen ihnen die Aufgabe, den Zweiten Weltkrieg zu gewinnen. Trotz einer nach einem Berufungsverfahren ausgegebenen USK-16-Wertung für die englische PC-Fassung wurde der Titel indiziert. Und das lag vor allem am Handbuch.

Panzer General

Entwickler: Strategic Simulations Inc., USA
Hersteller: SSI, Mindscape (Deutschland)
System: PC / 3DO / PSone
Veröffentlichungstermin: 1994-1996
Indizierungstermin: 29. Juni 1996
Indizierte Versionen: PC
Index-Liste: A

Das rundenbasierte Strategiespiel greift authentische Ereignisse und Schlachten des Zweiten Weltkriegs auf und macht den Spieler zum Kommandeur der deutschen Wehrmacht. Ziel ist es, durch geschickte Blitzkrieg-Taktik den Ausgang des Kriegs zugunsten des Deutschen Reichs zu drehen. Je nach Erfolg in den Schlachten verändert sich der Spiel­verlauf, ein Kampf gegen Großbritannien im Nahen Osten und eine Invasion der USA sind möglich. Die Einheiten werden abwechselnd auf einem in hexagonale Felder unterteilten Spielfeld bewegt. Neben der Kampagne gibt es Szenario-Gefechte mit freier Wahl zwischen den Parteien sowie einen Mehrspieler-Modus via E-Mail.

»Nach ausführlicher Sichtung des Spiels und begleitender Materialien gelangt    [der Antragsteller] zu der Bewertung, (…) [sie seien] kriegsverherrlichend und NS-Ideologie tragend. Antrag und Prüfung liegt die differenzierte Spielbeschreibung und -bewertung der Mutter eines jugendlichen (…) Käufers zugrunde. (…) Bedenklich ist das Angebot, (…) den Verlauf des ganzen (Zweiten Welt)Krieges zu beeinflussen und erfolgreicher zu sein als die Truppen Nazi-Deutschlands.«

Auszüge aus der Indizierungs­entscheidung Nr. 4600 vom 13.6.1996

”Die jugendgefährdende Wirkung (…) beruht (…) darauf, dass der Inhalt des Computerspiels kriegsverharmlosend und kriegsverherrlichend ist, im weitesten Sinne die Ideologie des Nationalsozialismus verharmlost wird und [das Spiel] gegen Art. 26 GG verstößt, da das Führen eines Angriffskrieges befürwortet wird. Das Spiel ist kriegsverharmlosend, weil (…) seine zahlreichen schmerzhaften Auswirkungen verschwiegen werden. (…) Damit wird objektiv der Tatbestand der Kriegsverharmlosung durch nahezu alle Kriegssimulationsspiele erfüllt.
    Entscheidend für die Einstufung des vorliegenden Spiels als jugendgefährdend ist jedoch nach Ansicht des Entscheidungsgremiums der konkrete Realitätsbezug.
(…)
Das Computerspiel kann damit nach Auffassung des 12er-Gremiums dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche eine positive Haltung zum Angriffs- und Eroberungskrieg einnehmen. Es kann gerade durch diesen konkreten Realitätsbezug dazu beitragen, ­Kindern und Jugendlichen einen Teil der Ideologie des Nationalsozialismus nahezubringen.
(…)
[Die Textpassagen aus der Spielanleitung], die im Spiel ihre Entsprechung finden, haben das 12er-Gremium (…) veranlasst, hervorzuheben, dass es in diesem Spiel nicht um Siegen oder Besiegtwerden (…) geht, sondern um die ’spielerische’ Befürwortung des Angriffs- und Eroberungskrieges. So sah das 12er-Gremium Art. 26 GG insofern tangiert, als in dem Handbuch systematisch zur Kriegsführung gegen Polen und zwar basierend auf dem historischen Geschehen während des Zweiten Weltkrieges aufgerufen wird.
(…)
Objektiv ist insofern eindeutig das Tatbestandsmerkmal der Kriegsverherrlichung ­erfüllt, als zum Angriffskrieg gegen ein real existierendes Land aufgefordert wird…”

Fragt man Spieler, warum Panzer General indiziert wurde, vermuten die meisten, dass das wohl wegen auftauchender Hakenkreuze geschah. Mitnichten, auf das verfassungsfeindliche Symbol, das nebenbei bemerkt kein ­Indizierungskriterium ist, verzichtet das Spiel von vornherein. Vielmehr schlägt der Bundesprüfstelle die Ausrichtung des Spiels und vor allem des Handbuchs auf den Magen. Dieses steckt den Spieler in die Rolle eines deutschen Kommandeurs, gibt taktische Tipps für den der Geschichte nachempfundenen Eroberungsfeldzug und stellt im Erfolgsfall Ruhm und Ehre in Aussicht. Da nutzt auch die am Anfang stehende kritische Auseinandersetzung mit dem Zweiten Weltkrieg und die Auflistung der Greueltaten der Nazis nichts. Der klare Realitätsbezug bedeutet für Panzer General in Verbindung mit der zu parteiisch anmutenden Anleitung das Aus, obwohl auch fiktionale Gefechte wie die Eroberung Washingtons durch die Deutschen auf dem Schlachtplan stehen. Mindscape reagierte auf das Urteil und brachte eine neue PC-CD-ROM-Version sowie die PlayStation-Fassung mit dem Zusatz ”Jetzt neu mit geändertem Handbuch” auf den Markt, für welche die Indizierung nicht gilt. Merkwürdig, da der Spielinhalt ja trotzdem noch den Angriffskrieg befürwortet, die Auswirkungen der kriegerischen Handlungen verharmlost und in der Realität verankert ist. Panzer General ist ein gutes Beispiel dafür, dass nicht immer der reine Spielinhalt für eine Indizierung verantwortlich ist. 

Du fragst Dich schon ewig, warum ein bestimmtes Spiel indiziert wurde? Dann schreib uns Deine Anregung an leserpost@maniac.de und wir gehen der Sache nach!

Zetsubouda
I, MANIAC
Zetsubouda

“” Antrag und Prüfung liegt die differenzierte Spielbeschreibung und -bewertung der Mutter eines jugendlichen (…) Käufers zugrunde””Schockierend.Bei der Begründung ist irgendwie kurios, dass so ziemlich jedes Age of Empires oder Command & Conquer (Beachtung von “”erobern””!) die gleichen Mittel einsetzt.Da war wohl nur das Setting ausschlaggebend. Die letzte Passage mit “”zum Angriffskrieg gegen ein real existierendes Land”” wirkt da wie eine billige Rechtfertigung.