Rieko Kodama – ein Nachruf

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Dieser Artikel stammt aus der M! 351 (Dezember 2022).

JAPAN • Bereits am 9. Mai dieses Jahres ist Rieko Kodama kurz vor ihrem 59. Geburtstag verstorben. Auf Wunsch von Freunden und Familie wurde der Tod der Ausnahme­designerin aber bis zum 27. Oktober nicht öffentlich kommuniziert.

Rieko Kodama wird am 25. Mai 1963 in ­Yokosuka in der Präfektur Kanagawa geboren. Zu ihren frühen Hobbys gehören die Archäologie, das Mangazeichnen und der damals gerade aufkommende Formel-1-Sport. Im Café ihrer Eltern kommt sie in den späten 1970ern erstmals mit Space Invaders und damit Video­spielen in Berührung. In der Hochschule kann sie sich nicht wirklich zwischen ihren Interessen an Kunst und der Archäologie, insbesondere dem alten Ägypten, festlegen, was dazu führt, dass sie diverse Prüfungen nicht besteht. Schließlich entscheidet sie sich für eine Ausbildung zur Werbegrafikerin. Dabei wird sie auch auf die stetig wachsende Spielebranche aufmerksam und heuert schließlich 1984 bei Sega an. Dort entdeckt sie bald ihr Interesse an der eigentlichen Entwicklung: Von Yoshiki Kawasaki lernt sie die Grundlagen der Pixel-Kunst und trägt so zu Gegnern und Hintergründen des SG-1000-Titels Champion Boxing bei. Weitere Werke umfassen Ninja Princess, Quartet und Alex Kidd in Miracle World. Oft verbirgt sie ihren Namen, wie damals üblich, hinter einem Pseudonym, meist taucht sie in den Abspännen als ”Phoenix Rie” auf – wie später bekannt wird, eine Anspielung auf die Manga- und Anime-Serie ”Saint Seiya”.

Mit ihrer Arbeit am legendären Rollenspiel Phantasy Star, wo sie für Hintergründe, Charakterdesign und vieles andere zuständig ist, macht sie sich einen Namen – bis heute wird Phantasy Star mit ihr in Verbindung gebracht. Dabei war sie auch bei vielen weiteren Spielen involviert: Altered Beast, Shadow Dancer, Castle of Illusion und die beiden ersten Sonic-Spiele profitieren ebenfalls von ihren Fähigkeiten. Bei Phantasy Star IV ist sie schließlich Co-Direktorin, bevor sie beim Saturn-2D-Kracher Magic Knight Rayearth so ziemlich alle Fäden in der Hand hält. Beim späten Survival-Horror-Spektakel Deep Fear fungiert sie als Produzentin. ­Diese Rolle bekleidet sie auch beim legendären Dreamcast-RPG Skies of Arcadia und dem eher durchwachsenen Reboot von Altered Beast auf PlayStation 2. Später betreut sie viele der damals angesagten Brain Training-Titel, bevor sie mit der 7th Dragon-Reihe wieder zu den Rollenspielen zurückkehrt. Ihre wohl letzte Arbeit bei Sega ist die Produktion der ”Sega Ages”-Reihe für ­Nintendos Switch. 2018 wird ihr bei den Game Developer Choice Awards der Pioneer Award verliehen, sie reagiert typisch bescheiden und verweist auf die Leistungen ihrer Teams und Mitstreiter. Auch im Hinblick auf die eigene Kunst ist sie oft selbstkritisch und beklagt sich, dass ältere Werke wie das hier abgebildete Motiv zur Mega-Drive-Neuauflage von Phantasy Star immer noch in Neuauflagen gezeigt werden. Ein wichtiges Thema für sie sind auch weibliche Charaktere und Spieler: In ihren Games ist es ihr stets wichtig, weibliche Figuren nicht unfair zu behandeln – die starken Heldinnen von Phantasy Star und Skies of Arcadia sind das beste Beispiel dafür.

Es ist dann ein ”In Memoriam”-Eintrag in den Credits des Mega Drive Mini 2, der die traurige Nachricht verbreitet. Der Sega-­Angestellte Yosuke Okunari bestätigt Kodamas Tod schließlich auf Twitter, worauf sich weltweit eine Woge der Anteilnahme über die sozialen Medien ergießt. Alte Weggefährten gedenken Kodama mit warmen Worten: ”Ich habe sehr gute Erinnerungen an sie, denn wir waren Kollegen bei Sega und haben gemeinsam Phantasy Star und Sonic entwickelt. (…) Ich möchte, dass sich alle an sie erinnern. Möge sie in Frieden ruhen. Rieko Kodama forever”, schreibt Yuji Naka. Judy Totoya widmet ihr eine Zeichnung von Phantasy Star-Heldin Alis und gibt zu Protokoll: ”Wenn Frau Kodama Alis nicht erdacht hätte, wäre ich wahrscheinlich nicht zu Sega gegangen, und wenn sie mich nicht in die Heimkonsolen-Abteilung gezogen hätte, wäre mein Leben vielleicht anders verlaufen. Ich kann ihr nicht genug danken.” Aber auch Izuho Numata ehrt Kodama: ”Ich bin dankbar für all die Hilfe, die ich während meiner Zeit bei Sega erhalten habe. Ich schätze die Tatsache, dass wir zusammenarbeiten konnten. Ich danke Ihnen vielmals.” Dem können wir uns nur anschließen. Mit Rieko Kodama hat die Spielewelt eine der ganz Großen verloren. Möge die ”First Lady of RPGs”, wie sie oft genannt wurde, in Frieden ruhen.

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ChrisKong
I, MANIAC
ChrisKong

Das wäre eigentlich mal eine Idee als dauerhafte Rubrik in der MGames, wenn nicht monatlich, dann vielleicht alle zwei Monate oder so, eine Entwicklergrösse porträtieren. Ist ja eigentlich schade, wenn man Personen erst würdigt, nachdem diese verschieden sind. Von so vielen weiss man wenig bis gar nichts. Vielleicht gabs das sogar mal eine Zeit lang schon?

MontyRunner
I, MANIAC
MontyRunner

“Das Leben wird durch den Tod definiert.” Das mag stimmen, und trotzdem finde ich das scheiße. Abschiede – vor allem Tode – bedrücken mich sehr. Ruhe in Frieden, Rieko. Danke dafür, dass Du mein Leben positiv berührt hast.

Lincoln_Hawk
I, MANIAC
Lincoln_Hawk

R.i.p

Max Snake
I, MANIAC
Max Snake

Was für eine tolle Frau aus dem Hause Sega. Du wirst mir vermisse Rieko Kodama.

Danke Thomas Nickel.

dunklertempler
I, MANIAC
dunklertempler

Gerade Phantasy Star 1 ist Rückblickend meine beste Erfahrung mit RPG Spielen.
Mochte seitdem bis zum Dreamcast auch die Sega RPGs lieber als z.B. Square usw.
Anfang 1990 in einem kleinen Laden für unglaubliche 140DM gekauft.
Wers noch nicht kennt das Switch Remaster ist top.