Call of Juarez: The Cartel – im Test (PS3/360)

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Der Wilde Westen – Schauplatz legendärer Filme wie ”Spiel mir das Lied vom Tod” und ”Für eine Handvoll Dollar”. In dieses Ambiente ordneten sich die ersten beiden Call of Juarez-Episoden ein, die kriegsmüden Ego-Shooter-Spielern dringend benötigte Abwechslung von den Schlachtfeldern des Zweiten Weltkriegs und des Nahen Ostens boten. The Cartel verlässt diese Epoche und entführt Euch in das von Bandenkriegen, Drogenhandel und Verschwörungen gebeutelte Los Angeles des 21. Jahrhunderts.

In den Call of Juarez-Spielen waren wir traditionell immer mit den Gebrüdern McCall unterwegs. Das neue Gespann besteht nicht nur aus zwei, sondern aus drei Personen, von denen immerhin eine ein direkter Nachfahre der Revolverhelden ist: Ben McCall vom LAPD, ein harter Hund, der ständig flucht, erst schießt und dann fragt. Zu ihm gesellen sich die an Halle Berry angelehnte FBI-Agentin Kim Evans und der smarte Latino Eddie Guerra. Das klischeebeladene Trio ballert und schlägt sich durch 15 Kapitel einer verworrenen und bis zum Ende undurchsichtigen Story, die Euch durch schmutzige Hinterhöfe, Striplokale, den Grand Canyon und schließlich doch wieder Mexiko führt. Die drei Beamten sind keineswegs dicke Freunde und begegnen sich mit einer Menge Misstrauen. Das spiegelt sich nicht nur in der rund acht Stunden langen Geschichte, die je nach Eurer Charakterwahl leicht abgewandelt abläuft und unterschiedliche Enden nach sich zieht, sondern auch in individuellen Sekundärmissionen, die Ihr innerhalb der Levels erledigen müsst, ohne dass Euer Team es bemerkt. Meistens bekommt Ihr zu Beginn der Missionen, die sich alle zu dritt kooperativ über das Internet spielen lassen, einen Anruf mit der Bitte, bestimmte Dinge zu stehlen oder zu sabotieren. Sehen Euch Eure Kollegen dabei, ist die Mini-Mission gescheitert seid Ihr erfolgreich, hagelt es Erfahrungspunkte, die bessere Waffen freischalten. Mit KI-Kameraden macht dieses Feature kaum Spaß, da diese selbstständig agieren und nicht explizit darauf achten, wenn Ihr mal vom vorgegebenen Levelpfad abweicht. Mit menschlichen Mitstreitern entwickelt sich dagegen ein spannendes Katz-und-Maus-Spiel, jeder fragt sich, was die anderen im Schilde führen.
Auch im klassischen Mehrspieler-Modus bekommt Ihr vom Spiel einen Partner zugewiesen. Dieser startet in Eurer Nähe, kennt immer Eure Position und teilt sich mit Euch ein gemeinsames Radar.
Abwechslung von den tumben Schießereien, in denen Ihr ab und an für kurze Zeit in einen Zeitlupenmodus umschaltet und Eure Gegner begleitet von besonders flapsigen Sprüchen ins Jenseits pustet, bieten neuerdings Fahrzeug-Abschnitte. In denen brettert Ihr über Highways und durch die Wüste und kämpft hauptsächlich mit der schwammigen Steuerung und den viel zu spät auftauchenden Wegpunkten. Immerhin lassen sich aber fast alle fahrbaren Untersätze mit ein paar gezielten Schüssen (auf die Fensterscheiben!) in die Luft jagen. Damit löscht Ihr effektvoll mehrere der spanisch fluchenden Feinde auf einmal aus, die sich auch sonst nicht sonderlich intelligent anstellen. Innerhalb der mannigfaltigen Levels zeigen nun Silhouetten an, wo Ihr zusammen mit Euren Partnern im Call of Duty-Stil Türen eintretet und Räume stürmt oder wo Ihr am besten im Schutze des Deckungsfeuers Eurer Kollegen Gegnergruppen flankiert.

Lobten wir den Vorgänger Bound in Blood noch für seine Charaktere, die stimmige Grafik und das ungewöhnliche Setting, so patzt The Cartel in diesen Bereichen. Evans, Guerra und McCall sind unsympathische, gefühlskalte Klötze, die sich nicht scheuen, den Tod eines Informanten mit einem lockeren Spruch zu quittieren oder eine wehrlose Stripperin an der Gurgel zu packen. Die Grafik wirkt in Zeiten von Killzone 3 und Crysis 2 mit kaum vorhandenen Schatten, groben Texturen und unnatürlich animierten Figuren antiquiert. Der Schritt vom Wilden Westen hin zum heutigen Los Angeles raubt der Serie ihre Identität und Individualität. Verfolgungsjagden zu Pferde oder mit der Kutsche sind genauso passé wie die spannenden Duelle Mann gegen Mann und das vorsichtige Taktieren mit nur sechs Kugeln im Revolver. Mit 30 Schuss pro Magazin kann man nun einmal verschwenderischer umgehen.
Unterm Strich bleibt ein ordentlicher Ego-Shooter im Stil von “Desperado” und ”Machete”, der durch Abwechslung und die Abwesenheit von US-Soldaten und patriotischen Parolen glänzt, dem es aber an spielerischem Tiefgang und Intelligenz mangelt. Wer über die technischen und erzählerischen Schwächen hinwegsehen kann und neue Koop-Herausforderungen sucht, der riskiert im Sommerloch einen Blick. Call of Juarez-Fans der ersten Stunde, die auf coole Sprüche pfeifen und nicht auf echtes Wild-West-Flair verzichten wollen, begleiten lieber John Marston durch Rockstars Red Dead Redemption.

+ interessanter neuer Koop-Ansatz
+ viele interessante Schauplätze

– grausige Fahrzeugsteuerung
– platte Charaktere, platte Story

Tobias Kujawa meint: Wer auch immer das dritte Call of Juarez in die heutige Zeit verlegte, wurde wohl mit dem Klammerbeutel gepudert. Durch das Western-Szenario stachen die Schießereien mit den McCalls aus der Masse hervor, atmosphärisch stimmte da alles. The Cartel erinnert eher an einen pubertären Actionfilm. Blende ich die dummen Sprüche und die hanebüchene Handlung aus, entfaltet sich ein schnörkelloses Spiel mit vielfältigen Schauplätzen und einer interessanten Koop-Idee. Statt einfach Seite an Seite durch die Levels zu streifen, achte ich darauf, wo meine Partner hingehen, und freue mich diebisch, wenn ich sie auf frischer Tat ertappe. Ein Wort noch zur Akustik: Die deutschen Sprecher überzeugen mich nicht, besonders die spanischen Floskeln klingen unnatürlich – zum Glück ist auch der englische O-Ton dabei.

”The Cartel” wirft seine Wild-West-Wurzeln über Bord. Der Koop-Ansatz gefällt, die Hau-Drauf-Attitüde ist Geschmacksache.

Singleplayer68
Multiplayer
Grafik
Sound