Game Over für Google Stadia

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Dieser Artikel stammt aus der M! 350 (November 2022).

MOUNTAIN VIEW • Als Phil Harrison auf der GDC 2019 Googles Einstieg ins Games-Streaming verkündet, sind alle geschockt: Auf seiner gewaltigen Cloud-Infrastruktur will der Suchmaschinen-Gigant Videospiele entwickeln und verkaufen und in Konkurrenz zu Microsoft, Sony und Nintendo treten. 20 Datenzentren und zig Rechen-Cluster rund um den Globus, vernetzt durch eine halbe Million Kilometer Glasfaserkabel sollen Videospiel-Action auf stationäre und tragbare Android- und Chrome-Geräte streamen. Die Zielgruppe hat man bereits an der Angel: ”Überall, wo YouTube läuft, läuft Stadia”, meint damals Phil Harrison, der Googles gesamte Spiele-Aktiväten leitet. Und dass die Zeit der traditionellen Konsolen vorbei sei: ”40 Jahre lang geht es bei der Spielproduktion um die Heim-Hardware (…) Stadia dreht das um.”

Viel bescheidener klingt die Meldung, die Harrison nun Ende September herausgibt: ”Vor ein paar Jahren starteten wir auch einen Spieledienst, Stadia. Obwohl auf starkem technischen Fundament gebaut, zog er nicht so viele User an wie erwartet. Wir fällten deshalb die schwierige Entscheidung, damit zu beginnen, den Streamingdienst herunterzufahren.” Vereinfacht ausgedrückt: Stadia wird dichtgemacht und geht am 18. Januar 2023 endgültig vom Netz.

Wie viele Spieler Stadia letztlich nutzen und dem Abo-Dienst Stadia Pro beitraten, verriet Google über all die Jahre nicht. Der Konzern rechnet nicht zuletzt mit den ”200 Millionen Menschen, die täglich YouTube sehen” und stellt dann fest, dass die meisten davon doch lieber nur ­gucken als spielen wollen. Auch zahlt ein guter Teil der streaming­affinen Spieler bereits einen Xbox Game Pass, ein Nvidia GeForce-Now- oder ein PlayStation-Now-Abo und sieht in Stadia kaum Content-Mehrwert. Microsoft startete das Xbox- und Windows-Streaming fünf Tage vor Stadia und 2020 folgte mit Amazon der dritte Cloud-Gigant: Luna kostet Amazon-US-Kunden weniger als Stadia und hat ebenfalls Ubisofts Hit-Katalog in petto.

Ein weiterer Stolperstein bleiben die im Vergleich zu Film-und Musikstreaming hohen Internet-Anforderungen: Mindestens 20 Mbit/s sind für 1080p in 60 Hz nötig. Aber Googles entscheidende Schwäche liegt wohl in der Spieleproduktion. Die interne Entwicklungs-Pipeline und Second-Party-Liasion ”Stadia Games and Entertainment”, die Ex-Ubisoft-Produzentin Jade Raymond aufbaut und die sich um Exklusivtitel kümmern sollte, wird bereits Anfang 2022 heruntergefahren. Aber auch Dritthersteller liefern nicht viel, sieht man von Ubisoft ab, die ihren Plus-Katalog Ende 2020 in Stadia integrieren. Embracer-Töchter wie THQ Nordic sowie Bandai Namco, Square Enix und 505 Games bringen ein paar Titel. Bethesda streamt Doom Eternal, Rockstar Read Dead Redemption 2 (aber kein GTA) und EA lediglich FIFA, Madden und Star Wars Jedi: Fallen Order. Knapp 300 Spiele kommen auf Stadia, doch nur ein Bruchteil davon ist exklusiv.

Pünktlich zur ”Wir machen dicht”-Ankündigung wurden bereits alle kommerziellen Stadia-Funktionen deaktiviert und alle Gebühren ausgesetzt. Bis Mitte Januar 2023 bleibt Stadia-Kunden der Zugriff auf ihre Spiele und Daten, doch schon davor werden sich Titel und Features verflüchtigen. Um einen Shitstorm und juristischen Ärger zu minimieren, verspricht Harrison eine Rückabwicklung aller Hardware-Käufe, die User über den Google Store tätigten, sowie aller Spiele- und Add-on-Käufe; nicht zurückgezahlt werden die Abo-Kosten.

Das soziale Netzwerk Google+ (2011 geboren, 2019 begraben), die VR-Versuche Daydream (2016 bis 2019) und Cardboard (2014 bis 2021): ­Google ist berüchtigt für flotten Geschäftsfeld-Auf- und Abbau. Doch eine so ”schnelle Schließung überrascht”, meint das Branchen-Medium GamesRadar: noch ein Grabstein auf dem ”Google-Friedhof”. Laut ­Harrison ist Stadias Ende hingegen kein Ausstieg, sondern eine Neu­orientierung. ”Google investiert seit vielen Jahren in die unterschiedlichsten Gaming-Aspekte, hilft Entwicklern mit Google Play, erreicht durch YouTube ein weltweites Publikum.” Google will die ”bewährte ­Stadia-Technik in andere Bereiche, YouTube, Google Play und Augmented Reality übertragen” und sie ”für Industriepartner verfügbar machen”, so Harrison: ”Wir bleiben dem Gaming tief verbunden und investieren auch weiterhin in neue Tools, Technologien und Plattformen.”

 

 

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ChrisKong
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ChrisKong

Irgendwie an den Bedürfnissen des Marktes vorbeiproduziert. Allerdings muss man sich auch fragen, wo bei GP und Co. der Breakeven liegt. Irgendwann stabilisieren sich die Abozahlen und dann muss das Ganze ja irgendwie rentabel sein. Google wollte wohl von Beginn weg schnell in der Gewinnzone sein und hatte darum keine attraktive Preispolitik am Start. Der Schuss ging nach hinten los, aber vielleicht besser so für Google, als am Ende sehr viel mehr reingesteckt zu haben. Spiele-Streaming wird sicher irgendwann das Ding werden, aktuell aber noch nicht.

MontyRunner
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MontyRunner

Bin da ganz bei Saldeks Erfahrungen. CP77 durchgespielt, sonst eher wenig. Technik beeindruckend, aber mit Macken. Immerhin habe ich bereits mein investiertes Geld zurückerhalten und kann sagen, Stadia hat mich fürs Zocken bezahlt.

Saldek
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Saldek

Für mich gab es drei Faktoren warum ich es (außer für Cyberpunk) nicht weiter genutzt habe:
1) Die ganze Hardware aus Pad und Chromecast hatte jetzt im Vergleich zu einer klassischen Hardware nicht so viele Vorteile, außer dem Preis

2) Die Spiele waren viel zu teuer und es gab keine spannenden Exklusivtitel

3) Auch wenn es technisch schon beeindruckend war, es gab immer wieder Abende wo es mit meiner 24 Mbit Leitung geruckelt hat oder die Auflösung bis hin zu Artefakten heruntergedreht / herunterkomprimiert wurde.

Ich finde es schade dass so eine spannende Technologie vom Markt verschwindet, aber man muss schon sagen, so richtig überzeugend war es auch nicht.

belborn
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belborn

Google hat Millionen pro Spiel an Ubi und co. bezahlt daß die überhaupt was bringen.Und selbst nichts Exklusives,ihre eigene Spieleabteilung Anfang trotz vollmundigen Ankündigungen dicht gemacht,das war vorrauszusehen.
Auf der anderen Seite hatte dsd schon seinen Reiz,Cyberpunh für fast lau zu zocken,wenn man woanders erstmal 500Euro für Hardware löhnen muß ,daß noch nichtmal zu haben war.
Aber die Erfahrungen der Benutzer waren dann auch eher ernüchternd.

Fuffelpups
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Fuffelpups

Wenn wenigstens alle Versprechen von der Enthüllung eingehalten worden wären. Die Urvision, das man in einem YT-Trailer instant lospielen kann war mega aber entweder haben die absichtlich gelogen oder es nicht hinbekommen.

captain carot
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captain carot

Der Großteil der Spielerschaft (global) spielt heute mobil, die PC-Spielerschadft ist ebenfalls global riesig.

Die Probleme von Stadia waren u.a. das Preimodell, anfangs die dedizierte Hardware ausgerechnet fürs Streaming und die von vornherein ungünstige Positionierung gegen ‘richtige’ Hardware.

Ist jetzt auch nicht der erste Service, den Google voll verkackt hat.

LaimNeeson
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LaimNeeson

Der Großteil der Spielerschaft widmet sich halt primär den altbewährten Big 3 (Steam und mobile jetzt mal ausgeklammert) … und das wird wohl auch erfahrungsgemäß so bleiben, sollte nicht jemand etwas komplett neues und innovatives auf den Markt schmeissen und mit ordentlich PR sporten.

Lincoln_Hawk
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Lincoln_Hawk

Ein paar Jahre zu früh für den main Stream gekommen

Tabby
Gast

Manchmal kommen sie wieder ^^

RYU
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RYU

Tschüss! Ich weine es keine Träne nach.