Gizmondo

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Es begann mit einem Rennpferd. Es hieß Gizmondo. Es gewann.

Nach Meinung von Carl Freers, Gründer von Tiger Telematics, ein gutes Omen.

Und ein guter Name für eine mobile Spielekonsole.

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Im März 2005 brachte er sie auf den Markt: Spiele, Videos, SMS und GPS sollte die Gizmondo bieten, sie sollte -natürlich- revolutionär sein. Tatsächlich war das GPS-Feature damals wirklich etwas besonderes, und es war sogar die ursprüngliche Hauptaufgabe des Geräts. Tiger Telematics wurde 2002 gegründet, um GPS-Tracker für Kinder zu entwickeln, um diese überall wieder auffinden zu können – vor dem Hintergrund der Soham-Morde an zwei 10-Jährigen in Großbritannien. Um die Kinder auch dazu zu bringen, das technische Gerät mit sich herumzuschleppen, ergänzte man das Gadget um eine Spielekonsole – das Gizmondo war geboren.

Schon ein Jahr später kam das Aus: Die Firma war zahlungsunfähig. Mit 189 Millionen Pfund, zum damaligen Kurs etwa 276 Millionen Euro, stand sie bei ihren Schuldnern in der Kreide. Doch was in diesem einen Jahr alles passierte und jetzt auf Eurogamer nachzulesen ist, ist geradezu filmreif – und macht den Unterschied zu den Tausenden von Firmeninsolvenzen, die alljährlich zu beklagen sind.

Die Party beispielsweise, die anlässlich des Gizmondo-Starts veranstaltet wurde, hatte Ausmaße, welche die Spielebranche bis dato noch nicht gesehen hatte. Zwar schmücken sich auch Sony & Co. gerne mit Prominenz – doch angesichts des Star-Lineups von Tiger Telematics hätte auch ein Global Player wie Sony den Yen zweimal umgedreht; die kleine Firma lud gleich ein halbes Dutzend Stars auf die Bühne: Busta Rhymes, Pharrell Williams und Jamiroquai traten dort auf – und sogar Altmeister Sting brachte sein Liedgut zum Besten. Allein er dürfte, so eine ehemalige Mitarbeiterin, etwa 300.000 Pfund für den Abend bekommen haben.

Auch die Führungsriege lebte auf großem Fuß: Chefentwickler Carroll bekam beispielsweise 1 Million Pfund Jahresgehalt plus Boni – laut Freers lag das immernoch unter dem Branchen-Benchmark. Was er sich selbst und seinem Partner Stefan Eriksson zahlte, erzählte er nicht. Doch der Fuhrpark der Geschäftsführung sagte wohl mehr als tausend Worte; denn selbst so manchem Scheich wär hier der Unterkiefer nach unten geklappt: Von McLaren bis Maybach reichte die illustre Riege der Kraftfahrzeuge. Wohlgemerkt: die Firma war erst 3 Jahre alt – und von einem nennenswerten Umsatz war man noch weit entfernt, geschweige denn von einem Gewinn, der dies – wenn man das überhaupt so ausdrücken kann – rechtfertigen würde. Freers erklärte hingegen, er habe die ersten zwei Jahre auf sein Gehalt verzichtet – selbst wenn das stimmt, dürfte er die finanzielle Durststrecke schnell überwunden haben…

Im Gegensatz zu seinen Angestellten, die in der Geschichte von Eurogamer auch zu Wort kommen. Will und Louise, so ihre Decknamen, bekamen vom Geldsegen nichts ab – wie auch viele andere Angestellte. Und hier kommen wir zu den Gründen, warum Carl Freers überhaupt soweit kommen konnte: Die Mitarbeiter wurden, wie viele andere Beteiligte und Unterstützer auch, mit Firmenanteilen bezahlt. Der zweite Grund liegt in der Persönlichkeit von Freers selbst: Er hatte das Talent, Leute mitreißen zu können. Aber auch für seine Wutausbrüche war er bekannt. Beim Interview erklärte Louise: “Freer war clever und brilliant – er hätte aus dem Stand Microsoft leiten können.”

Das darf allerdings bezweifelt werden, denn der Rest der Geschichte ist gekennzeichnet vom Missmanagement und Geldverschwendung der Firma: Beispielsweise pumpte man 2 Millionen Pfund in ein Entwicklungsstudio, dass nie ein Spiel produzierte; man eröffnete einen Flagship-Store in Londons Regent Street; man gönnte sich eine Tomahawk-Rakete als Wahrzeichen für den Firmensitz (auf der Spitze waren die Logos von PSP und DS); Neben der Verschwendung kamen Fehler bei Finanzierung und Produktion – denn auch letztere wurde vernachlässigt. Schon bei der Auslieferung der Vorbestellungen gab es Schwierigkeiten – man unterschätzte Kosten und Zeit der Produktionskette. Hinzu kam der mangelnde Support von Spieleherstellern – ebenfalls ein kapitaler Fehler.

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Im Februar 2006 verunglückte ein Ferrari “Enzo” auf einem kalifornischen Highway.

Gizmondo-Geschäftsführer Stefan Eriksson, vorbestraft wegen der Beteiligung an der schwedischen Mafia, wurde am Tatort aufgefunden. Er behauptete, den Wagen hätte ein Mann namens Dietrich gefahren, der geflüchtet sei.

Die Polizei behauptete, der Ferrari wäre illegal importiert.

Eriksson kam für zwei Jahre ins Gefängnis.

Dietrich wurde nie gefunden.

Gizmondo war Geschichte.

Pixelblut
I, MANIAC
Pixelblut

Das Gerät ist keine “”Download-Konsole””. Die Spiele kamen auf SD Karten. Nur etwas mehr als eine Hand voll an verschiedenen Spielen kam in den Handel. Die interessantesten Titel gibt es als Download – die laufen dann nach einem “”homebrew Update””. Colors, Carmageddon und noch ein paar andere. Colors ist das Highlight. Anders als bei GTA kommt man aber nicht durch eine Geldzahlung/-abzug nicht in den Knast. Hier landet man drin. Fliehen kann man erst nachdem einen ein siffiger Mithäftling vergewaltigt und man im Leichenschauhaus aufwacht… Die Grafik ist bei dem System auch recht gut. Zieht mit PSP fast gleich. Nur der Bildschirm ist schwächer. Kein schlechtes Gerät.

Vreen
I, MANIAC
Vreen

so läuft eben im kapitalismus. verurteilt lieber das spiel als die spieler…

Ziep
I, MANIAC
Ziep

Was soll man da noch sagen? Ich hoffe bei solchen Leuten immer, dass das Karma das schon regeln wird… das Gesetz tut es nicht!!

Oliver Gruener
I, MANIAC
Oliver Gruener

[quote=Seska1973]

Ich wundere mich aber noch, das noch keiner es auf Kickstart versucht hat… Wird sicher noch kommen. Man braucht heute nur noch ein “”gutes”” Video, ne gute Idee, und schon hat man ausgesorgt

[/quote]Ouya *hust*

Seska1973
I, MANIAC
Seska1973

Ach solche Leute gibt es oft. Letztens z.b. hat sich ein “”Pizza Laden”” Chef, mit seinem Kredit für den Laden, ins Ausland abgesetzt. Und die Mitarbeiter waren einfach “”arbeitslos””…Ich wundere mich aber noch, das noch keiner es auf Kickstart versucht hat… Wird sicher noch kommen. Man braucht heute nur noch ein “”gutes”” Video, ne gute Idee, und schon hat man ausgesorgt

ScorpionX
I, MANIAC
ScorpionX

Wie war das noch mit Maxfield? Da war’s doch auch so ähnlich. N paar Koffer mit Geld unter m Arm, und dann einen Heli bestiegen und die Firma war blank.

extremo
I, MANIAC
extremo

lol geile story. hab damals das mit den ferraris mitbekommen. leider sind das nicht die einzigen clowns dieser sorte. wer gut reden kann kommt leider (dank leichtGLÄUBIGER) schnell vorwerts… allerdings ist es prakisch immer so, dass es nach einigen jahren dann ein sehr böses erwachen gibt. möchte nicht mit denen tauschen. 😉

Bravopunk
I, MANIAC
Bravopunk

Jetzt schon ein Klassiker der Videospielegeschichte. Also die Geschichte, nicht das Gerät;).Hab auch im Hinterkopf, dass sich einer der Mitgründer vorzeitig mit ein paar Millionen davongestohlen hat.

tak
I, MANIAC
tak

Soweit ich weiß war das Ding gar keine Downloadkonsole.Die Spiele gab es ganz regulär auf Datenträger. Heutzutage sicherlich als ROM aud SD Karte, aber es gab halt Retailspiele.

Swiss WildOne
I, MANIAC
Swiss WildOne

Diese Konsole hat mich nie interessiert. Zudem verzichte ich lieber aufs Zocken von neuen Konsolengenerationen, als dass ich mir eine Downloadkonsole kaufe.So sieht man, die dumm die einen, und wie schlau die anderen sind.

Doublefine
I, MANIAC
Doublefine

@EmberWurde auch glaub ich nur 1 oder 2 mal in der Maniac drüber berichtet! Aber die Geschichte ist schon krass. Hab damals mit den Gedanken gespielt mir das Ding zuholen, aber reine Download-Spiele haben mich davon abgehalten^^ Mein Geheimtipp unter den

Gast

Gizmondo? Den Namen höre ich als alteingesessener Gamer heute zum ersten Mal. Aber die Geschichte ist schon krass.

tak
I, MANIAC
tak

Klassische, schillernde Ganoven- große Show, die Investoren kommen wie die Fliegen angeflogen und lassen sich dank tollen Versprechen gerne ködern. Selber lebt man deutlich über seine Verhältnisse und hey, wenn so eine Minifirma soviel Publicity abbekommt, kommen noch mehr Investoren.Wenigstens hat man den Gizmondo wirklich auf die Reihe bekommen und damit ein schönes Sammlerstück hergestellt, also Lektion 1: Man soll das Geld in seine Taschen stecken, aber wneigstens ein wenig muss zum Schein ins Produkt fließen^^Am Kopf des angesprochenen Entwicklungsstudios standen glaube ich auch irgendwelche Vertraute der Gründer. Also war das Studio doch sinnvoll.Interessant wären die vermeintlichen Comebackgerüchte letztes Jahr (oder wars vorletztes?) Gizmondo 2 sollte kommen, selbe Leute waren am Start, Webseite lief auch schon, aber man hatte wohl nicht genug Dumme gefunden.

Digger Boomshot
I, MANIAC
Digger Boomshot

[quote=Dirk Harms] man gönnte sich eine Tomahawk-Rakete als Wahrzeichen für den Firmensitz (auf der Spitze waren die Logos von PSP und DS);[/quote]Also im Ernst, wtf??

GaiusZero
I, MANIAC
GaiusZero

Da fragt man sich natürlich, wieviele andere Unternehmen von diesen Idioten zu Grunde gerichtet wurden? Das Geld muss ja irgendwo geliehen worden sein (und wurde nie zurückgezahlt).

Segabasti
I, MANIAC
Segabasti

Was für ne Story, und da denkt man, man hat schon alles gehört, was es so in der Welt der Marktwirtschaft gibt o.O

Seska1973
I, MANIAC
Seska1973

Ja, auf der Welt gibt es viele Leute mit Herausragender Charisma (Auch Silberzunge genannt). Aber leider ist es ihr einziges Gut. Wenn Die nicht Leute um sich herum haben, die ihn wieder “”Ausgleichen”” ist es schnell vorbei.Als gutes Beispiel? Microsoft bei ihrer Gründung. Es waren 3? Leute. Die haben sich wunderbar ergänzt

Oliver Gruener
I, MANIAC
Oliver Gruener

Ich kenne auch so ein paar Jungunternehmer, die erst mal schauen, wie sie das (geborgte) Geld mit beiden Händen zum Fenster rausschmeißen, sich tolle Büros und vor allem aber riesige fette Autos gönnen und sich nach ein, zwei Jahren dann wundern, wieso sie Pleite sind …Allerdings muss man ihnen zu Gute halten, dass sie die Banken überzeugen konnten. Also quatschen können diese Leute wirklich!

Steffen Simonet
I, MANIAC
Steffen Simonet

Woah krasse Story. Da weiß man wirklich nicht ob man lachen oder weinen soll…