Dragon Quest VI: Realms of Revelation – im Test (DS)

Zu 16-Bit-Zeiten war es zumindest für Spieler mit entsprechenden Japanisch-Kenntnissen ein magischer Rollenspiel-Moment: Kaum gingen fünf oder sechs Stunden bei Dragon Quest VI auf dem SNES vorbei, zog die Party auf einmal dem scheinbaren Endgegner die Hammelbeine lang – und plötzlich eröffnete das Abenteuer dem Spieler eine große Welt voller Quests und Abenteuer. Während andere RPGs in jenen Tagen mit der Nonlinearität lediglich flirteten, setzte Dragon Quest VI in dieser Hinsicht Maßstäbe. Leider tat es das aber nur in Japan, da die nordamerikanische Enix-Niederlassung damals schon nicht mehr existierte. Vielleicht hätte man zuvor statt Blödsinn Marke Paladin’s Quest oder Brain Lord lieber das fünfte Dragon Quest in den Westen bringen sollen – die ersten vier Episoden auf dem NES waren in den USA ja sehr beliebt.
Aber egal und Schnee von gestern, denn endlich liegt mit der DS-Veröffentlichung des sechsten Teils die komplette Dragon Quest-Reihe auf Englisch vor – und erneut hat sich das Warten gelohnt. Auch wenn sich die drei Remakes auf dem Handheld grafisch aufgrund der gleichen verwendeten Technologie stark ähneln, sind sie spielerisch und inhaltlich doch grundverschieden: Wo die Teile 4 und 5 mit vielen spielbaren Figuren oder einer bewegenden Story punkteten, da glänzt Teil 6 mit zahlreichen kleinen Geschichten. Ein übergreifender Handlungsbogen ist natürlich vorhanden, der tritt aber für lange Zeit zu Gunsten kleinerer, in sich abgeschlossener Erzählungen in den Hintergrund. Das heißt nicht, dass Dragon Quest VI inhaltlich ein Leichtgewicht wäre: Vor allem die Party-Talk-Option, bei der Eure Mitstreiter zu jeder Situation ihren Senf abgeben, sorgt dafür, dass Ihr Eure Truppe nach kürzester Zeit ins Herz geschlossen habt.
Spielerisch wandelt Dragon Quest VI auf vertrauten Serienpfaden – rundenbasierte Zufallskämpfe mag so mancher nicht mehr als zeitgemäß empfinden, hier aber funktioniert das Prinzip: Anstatt Euch mit langen Animationen zu quälen, bringt das Spiel Gefechte schnell und dynamisch hinter sich. Für besondere Motivation sorgt das Klassen-System, auf das Ihr nach ein paar Spielstunden Zugriff erlangt: Ähnlich wie im neunten Teil können Eure Helden jederzeit den Beruf wechseln, im Gegensatz zum aktuellen Abenteuer werden aber sämtliche Skills und Magien übernommen. Unterm Strich ist das nicht so komplex und flexibel wie das Job-System von Final Fantasy V, sorgt aber vor allem durch die Möglichkeit, immer fortgeschrittenere Klassen freizuspielen, für Motivation satt.
So archaisch manche Aspekte auf den ersten Blick wirken mögen, so ist dieser RPG-Klassiker doch hervorragend gealtert. Hier geht es nicht um üppige Präsentation, großartige Render-Filmchen oder ultrakomplexe Spielsysteme: Es ist inhaltlich wie spielerisch eher ein Rollenspiel der leisen Töne und Feinheiten – ein flotter Kampf hier, eine hübsche Sprite-Animation da. Dragon Quest VI beweist eindrucksvoll, dass das gerade im RPG-Sektor immer noch hervorragend funktioniert.

+ umfangreicher, nicht-linearer Klassiker
+ gutes Klassen-System
+ sehr gute Texte

– es mangelt ein wenig an Komplexität

Ein herausragender Rollenspiel-Klassiker mit gewaltigem Umfang, knackiger Schwierigkeit und vor allem viel Herz.

Singleplayer		86
Multiplayer
Grafik
Sound