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Ziel der Unternehmung ist es, den eigenen Fotodex zu füllen. Der deckt mit 214 ausgewählten Monstern zwar nicht alle Favoriten der vergangenen 20 Jahre ab, fällt aber allemal üppig genug aus, damit sowohl Neulinge als auch Nostalgiker auf ihre Kosten kommen. Zumal jedes Tierchen in insgesamt vier verschiedenen Posen abgelichtet werden will, die Pokémon-Professor Mirror mit einer Wertung von einem bis vier Sternen im Fotodex festhält.
Teil des Spaßes ist es, herauszufinden, wie man das gewünschte Motiv dazu bringen kann, diese Posen einzunehmen. Das geht bei niedrigleveligen Bildern noch recht einfach: Hier reicht es meist, das Pokémon schlafend oder beim Essen zu fotografieren. Für ein Vier-Sterne-Foto muss man aber mehr Talent beweisen und im richtigen Moment den Auslöser drücken. Für den perfekten Schnappschuss eines nichts ahnenden Karpadors, das gerade von Tauboss aus dem Fluss gefischt wird, braucht es schon ein bisschen Streckenkenntnis und mehrere Versuche.
Sonst sind für die Bewertung der Bilder vor allem die Größe und Blickrichtung des Pokémon von Bedeutung. Diese und einige andere Kriterien entscheiden am Ende des Kurses nämlich über die Punktzahl, die der Prof Euren Bildern verleiht. Nur wer hier seinen High Score hochtreibt, kann neue Strecken freischalten oder alte Routen leveln, damit sich in ihnen neue Fotomotive ergeben. Dabei erschließt sich nicht jede Bewertungskategorie sofort. Wie genau sich etwa der ”Hintergrund”-Wert zusammensetzt, wissen wahrscheinlich nicht mal die Entwickler, doch wer seine Motive immer schön mittig und groß einfängt, fährt meistens ganz gut.
Die Grundlagen sitzen also: Die bunte Vielfalt an Strecken und Pokémon motiviert und meist kann man selbst beim dritten oder vierten Befahren eines Kurses noch neue Dinge entdecken. Die Frage ist nur, ob in diesem Spielkonzept nicht mehr gesteckt hätte als nur der altbekannte Rail-Shooter. Wie cool wäre eine spielbare Pokémon-Naturdoku gewesen, in der man als Kameramann mit einem Arsenal an Objektiven durch eine frei erkundbare Welt streift und versucht, das blühende Ökosystem um einen herum zu fotografieren, ohne die örtliche Poké-Fauna durch die eigene Präsenz zu verschrecken?
An solchen Experimenten ist New Pokémon Snap jedoch nicht interessiert. Muss es vielleicht auch gar nicht, denn das was die kunterbunte Fotosafari bietet, ist unterhaltsam genug – nur wirklich lange ans Pad fesseln kann sie nicht. Dafür mangelt es auf Dauer dann doch an spielerischem Tiefgang.
@lennard-willms
Danke Dir für die Erklärung! So ganz kommen wir nicht zusammen, auch wenn ich Dich in Teilen durchaus verstehe. Ich denke dennoch, dass man dann den Vorwurf der Stagnation in den meisten Fällen dem Großteil an gängigen Serienfortsetzungen vorwerfen müsste. Hier habe ich nicht ganz verstanden, warum die Kritik eben spezifisch “Snap” betreffen soll. Das Gedankenspiel ist aber natürlich dennoch interessant.
Ansonsten bin ich aber stellenweise dennoch bei Dir: Klassische Spielkonzepte dürfen gerne klassisch bleiben, moderne Interpretationen sich hingegen gerne weiterentwickeln. Videospielekultur sollte vielfältig bleiben!
@lennard-willms wurde es denn als Neuinterpretation vermarktet bzw. wollte es denn eine sein? Ich mein, es stimmt schon, Anfang der 2000er war Pokémon absolut einzigartig und viele Wege wurden vorbereitet oder auch erstmalig groß beschritten. Da wurde videospieltechnisch als auch kulturell einiges ins Rollen gebracht vonseiten Game Freak/Nintendo.
Berechtigung hat es durchaus, sich zu fragen: Na gut, schön ist es, aber gibt es irgendwas Neues?
Andererseits denke ich mir jedoch: Vom Primus nach mehr als zwanzig Jahren so ein Spiel endlich mal in der Neuzeit ankommen zu sehen, ist auch schon klasse. Das Konzept hätten sie ja auch ganz einfach versauern lassen können. Und selbst wenn es nichts “Außergewöhnliches” mehr sein möge: seinen Charme hat es durchaus und es ist ein schöner Zeitvertreib. Eher ein Entspannungstitel wie Animal Crossing (wobei letzteres natürlich mehr Potenzial und Möglichkeiten bietet).
Vielleicht pflegt Nintendo diesen Ableger in Zukunft etwas gründlicher; wie du schreibst, Luft nach oben wäre da. Ich fand es generell super, dieses Spiel in neuem Gewand zu erleben, da verzeihe ich Nintendo für’s Erste die Geradlinigkeit ;).
Da gibt es genug andere Titel, bei denen ich das störender empfinde.
Wobei ich es echt klasse finden würde, wenn man wirklich wie ein Forscher uneingeschränkt auf der ganzen Insel spazieren könnte. Das hätte für mich mehr das Gefühl einer unangetasteten Welt. Ohne Schienen.
Aber letztendlich ist das auch wieder nur Geschmackssache, wie viel oder wie wenig die Kritikpunkte wiegen. Meckern auf hohem Niveau, würde ich behaupten. Spaß hattest du, denke ich, ja trotzdem ?
@max-home Als ein solcher Rail-Shooter ist “New Pokémon Snap” ja auch durchaus kompetent und da will ich ihm sein Genre auch nicht zum Vorwurf machen. Beim Fabulieren über die “spielebare Naturdoku” am Schluss ging es mir eher darum, dass das Spiel zu wenig Neues wagt und sich so eben eher wie ein reines HD-Content-Update des Ur-Snaps anfühlt als wie eine wirkliche Neuinterpretation des Spielkonzepts. Es plätschert eben oft milde interessant vor sich hin. Da musste ich mir dann zwangsläufig überlegen, was man aus der Spielfantasie “Pokémon-Fotograf” noch so alles hätte rausholen können. Meine Gedanken sind da dann in Richtung Offene Welt gewandert – für die steht Pokémon ja eigentlich auch in seinen Hauptspielen. So war das eher als Denkanstoß gedacht.
Kleine Aktualisierung:
Am 4. August kommt ein kostenfreies Update mit drei neuen Regionen. 🙂
-> https://www.youtube.com/watch?v=ixIoWMn459c
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Zum Test: Schön geschrieben. Aber eines verstehe ich nicht so ganz: Warum wird hier ein Vertreter seiner Spieleserie für seine Genre-Zugehörigkeit kritisiert? Wird ein künftiges “THotD” in Zukunft auch dafür gerüffelt, kein 1st-Person-Shooter zu sein? Oder ein neues “Gradius”, weil es ja genauso gut auch eine cineastische 3D-Weltraumballerei hätte sein können?
Ich finde es schön, wenn sich ein klassisches Spielkonzept auch in heutigen Zeiten treu bleibt. Gerade, weil sich Videospiele von heute immer mehr anpassen und so allerhöchste Gefahr laufen, an Individualität und Charisma zu verlieren.