Kriminologe Christian Pfeiffer im Gespräch

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MAN!AC: Nun ist ein Spiel in der Regel ein ’Medienprodukt’ mit Dramaturgie. Nimmt man da nur einen Bruchteil heraus, besteht dann nicht die Gefahr, dass ein falscher Eindruck entsteht? Vorwiegend werden in dem Filmmaterial doch wohl gewalthaltige Szenen zu sehen sein…

Christian Pfeiffer: Vor Kurzem hat jemand behauptet, wir verkürzen Fußballspiele auf ihre Foul­szenen. Ich sage: Wir machen es wie die Sportschau und zeigen die Szenen, die die Punkte bringen. Und das sind nicht die Foulszenen, sondern die Tötungsszenen. Zum Beispiel haben wir bei Der Pate: Die Don-Edition gezielt Ausschnitte gewählt, die das Geldbelohnungssystem im Spiel zeigen. Man muss Menschen töten, um Geld zu kassieren. Nur so kommt man zu Punkten und erreicht den Sieg. Nichts anderes macht analog die Sportschau und da beschwert sich auch niemand. Aber wir beschreiben natürlich auch den sozialen Rollenwandel in unseren Darstellungen, zeigen beim eben genannten Beispiel den Aufstieg vom Diener zum Superhelden.

MAN!AC: Über das Belohnen von bestimmten Handlungen kann man sicherlich diskutieren.

Christian Pfeiffer: Für mich ist das keine Frage der Dis­kussion. Ein Spiel wie Der Pate: Die Don-Edition ist amoralisch. Wenn Punkte dafür vergeben werden, dass man unschuldige Menschen tötet, dann gehört so ein Spiel indiziert. Ich finde es falsch, dass die USK hier eine ’ab 18’-Freigabe erteilt hat.

MAN!AC: Dazu ein Zitat von Prof. Dr. Jürgen Fritz (2) , er ist Ihnen geläufig?

Christian Pfeiffer: Ist mir geläufig, das ist einer der Wissenschaftler eines medienpädagogischen Instituts, das sich von dem Spielehersteller Electronic Arts Personal- und ­Sachkosten bezahlen lässt. Das erinnert mich an medizinische Forschungsinstitute aus den USA, die sich Forschungsprojekte zu den gesundheitlichen Auswirkungen des Rauchens von der Zigarettenindustrie ­bezahlen ließen. Mit Zitaten von Herrn Fritz beschäftige ich mich deshalb besonders gerne.

(2) – Wer ist Prof. Fritz?

Prof. Dr. Jürgen Fritz arbeitet am Institut für Medienforschung und Medienpädagogik der Fachhochschule Köln. Ehe er sich dem Forschungsprojekt ”Wirkung virtueller Welten” widmete, veröffentlichte Fritz Bücher zum Thema Spielpädagogik. Seit über 20 Jahren stehen besagte virtuelle Welten im Zentrum der Untersuchungen, begleitet von Büchern wie ”Warum Computerspiele faszinieren” (1995). Im Gegensatz zur Medienwirkungsforschung geht Fritz von einem aktiv entscheidenden Mediennutzer aus, der beispielsweise Videospiele nach seiner persönlichen Bedürfnislage auswählt. Während Pfeiffers Institut quantitative Studien durchführt und Unmengen an Daten ermittelt, führt Fritz häufig qualitative Untersuchungen durch, die differenzierte Aussagen zu Einzelfällen zulassen. Vertreter dieser beiden Herangehens­weisen kritisieren häufig den Nutzwert der Forschungsergebnisse der jeweils anderen Partei.

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Ob jemand ein Spiel spielt, ein durchschnittliches Buch liest oder ein durchschnittliches Bild malt, ist kein grosser Unterschied.
Das menschliche Gehirn hat sich in 10.000 Jahren nicht gross weiter entwickelt. Ein Mensch von damals könnte ein Auto steuern. Und da liegt der Knackpunkt.
Die Gesellschaft dürstet es nach Sündenböcken.
Wenn der Mythos Normalität von der Realität abweicht, dann suchen wir wie die alten Griechen nach Sündenböcken (Pharmakoi oder Pharmakos). Früher waren das echte Menschenopfer.
Das können Minderheiten, Rassen oder eben Videospiele oder Filme sein. Ob 2000 vor Christus oder danach, völlig egal. Alles kann ein Sündenbock sein, wenn die kosmetische Darstellung reicht, und die Masse Befriedigung empfindet. Völlig egal, sie sind nur dem Wandel unterworfen, ändern ihr Aussehen.
Aberglaube und Einbildung sind die stärksten Antriebskräfte dafür. Egal ob einer Lehrer oder Richter ist.
Wir sind immer nach der Suche, das was uns stört, mit Sündenböcken zu erklären. So funktionieren wir. Das ist tragisch, aber menschlich.
Gewalt findet meiner Meinung nach in keinem Videospiel statt. Gewalt muss materiell sein, damit sie echt ist. Da sind nur virtuelle Modelle und Farben. Erst im Gehirn des Users entsteht der tatsächliche Eindruck. Das Lesen des Artikels hat Spass gemacht. Eben wieder Einbildung, durch die rechte Gehirnhälfte, glaube ich. So steht es bei Oliver Sacks. Darum fürchten wir uns auf bei Horrorfilmen, obwohl da nichts echt ist. 10.000 Jahre…
Und zur Zeitdauer. Wenn ich eine Sprache lerne, dann ändert sich mein Botenstoffhaushalt auch, oder wenn ich Holz hacke. Aber keiner käme auf die Idee, diese Vorgänge in einem bio neuro chemischen Vakuum ausdrücken zu wollen.
Und bei Spielen soll das auf einmal wichtig sein? Das wird nur gesagt, weil Spielen nicht so sinnvoll von der Gesellschaft angesehen wird, wie Sprachen lernen oder Holz hacken.
Wir sollten uns von diesen modernen Priestern nichts weiss machen lassen.
Die echten Schäden entstehen viel eher durch die jährlich erhöhte Selektion, in Neusprech gerne euphemistisch als “Bildung” betitelt. Durch diesen unmenschichen Leistungsdruck zerbrechen viele junge Schüler. Dieser als Normalität betitelter Wahnsinn produziert am laufenden Band Menschen, die den Druck auf tragische Art gegen sich oder andere entladen. Jahr für Jahr wird dies schlimmer. Das können wir uns nicht eingestehen, und küren darum stets unsere Sündenböcke.