Assassin’s Creed: Revelations – im Test (PS3)

0
219
Spiel:
Publisher:
Developer:
Genre:
Getestet für:
Erhältlich für:,
USK:
Erschienen in:

Byzanz, Nova Roma, Miklagard – Istanbul hatte in seiner fast 2.700-jährigen Geschichte viele Namen, zu Beginn des 16. Jahrhunderts heißt die historische Metropole am Bosporus und ehemalige Papststadt des Oströmischen Reiches Konstantinopel. Hierhin zieht es Ezio Auditore da Firenze in seinem dritten Abenteuer, in dem er in einen Familienstreit um die Nachfolge von Sultan Bayezid II. gerät, bei dem auch byzantinische Vertreter des Templer-Ordens mitmischen. In einem dazu parallelen Handlungsstrang lernt Ezio die Buchhändlerin Sofia kennen, die ihm beim Aufspüren eines wichtigen Geheimnisses von Nicolo Polo hilft. Doch Ezios Suche nach Antworten stellt lediglich einen (Groß-)Teil des Spiels dar. Zwischendurch schlüpft Ihr in die Haut von Altaïr Ibn-La’Ahad und erlebt in kurzen Sequenzen, was nach Teil 1 bis zu seinem Tod geschah. Als Desmond Miles hingegen trefft Ihr erstmals auf das geheimnisvolle Subjekt 16 und erfahrt mehr über die Erste Zivilisation…

Wer jetzt schon überfordert mit den Augen rollt, dem wird es im Spiel nicht besser ergehen. Revelations setzt voraus, dass Ihr mindestens die beiden unmittelbaren Vorgänger kennt, ein einführendes Video sowie ein anschließendes Tutorial frischt lediglich Erinnerungen von Kennern auf, Neulingen fällt der Einstieg sehr schwer. Das gilt nicht nur für die Geschichte, auch etliche Spielelemente der letzten Abenteuer kehren zurück, teils ohne erklärt oder gar in der Handlung begründet zu werden. Altgediente Assassinen aber fühlen sich sofort heimisch, schließlich spielen sie das gleiche Spiel nun zum dritten Mal, relevante Neuerungen bleiben diesmal sehr überschaubar.

Ehe wir uns mit dem gealterten Ezio aufmachen, fünf Schlüssel für Altaïrs Bibliothek in Masyaf aufzuspüren, beginnt das Spiel mit Desmond, der am Ende von Brotherhood in die Animus-Erinnerungsmaschine verfrachtet wurde, um dort zu überleben. Wie Neo zu Beginn von Matrix Revolutions findet er sich in einer Zwischenwelt wieder, die er erst verlassen kann, wenn er die noch übrigen Erinnerungen seiner Ahnen Ezio und Altaïr durchlebt hat und dadurch seinen Verstand sortiert – so erklärt es Subjekt 16, das ebenfalls in dieser Zwischenwelt existiert. Bei unseren ersten Schritten auf Animus Island wundern wir uns zunächst über ein komplett überarbeitetes Desmond-Modell, das seinem Vorgänger kaum ähnlich sieht – eine seltsame Designentscheidung, die spielerisch keine Konsequenzen hat.

Schnell begeben wir uns von hier aus in Ezios Geschichte und lernen den Assassinen Yusuf kennen, der uns mit dem neuen Kletterhaken vertraut macht, mit dem wir schneller (und lauter) denn je an Wänden emporklettern, uns beim Flüchten elegant über den Rücken gegenüber stehender Personen abrollen oder an über den Dächern gespannten Leinen abseilen. Als weitere Novität baut Ihr in Revelations mannigfaltige Granaten und Sprengfallen, um Gegner abzulenken oder zu töten. Zutaten hierfür findet Ihr in Schatztruhen, bei toten Gegnern und Händlern, gebaut werden sie an großzügig verteilten Stationen, neben denen sich meist auch eine fürs Kommandieren der Assassinenschüler befindet. Wie im Vorgänger schickt Ihr Verbündete, die Ihr erst rekrutieren müsst, auf zeitbasierte, automatisch ablaufende Auslandseinsätze. So verdient Ihr Einfluss, Geld und Zutaten, gleichzeitig levelt Ihr die Kameraden auf, um sie als effizientere Killer per Knopfdruck im Kampf gegen die byzantinische Janitscharengarde als Unterstützung zu rufen. Erstmals trainiert Ihr die Verbündeten in eigenen Missionen und setzt diese als Anführer eines Eurer Lager ein. Was im Vorgänger die Borgia-Türme, das sind in Revelations die Festen. Habt Ihr den Anführer eines Templer-Lagers erledigt – was einfacher ist als in Brotherhood –, gehört Euch das Viertel so lange, bis die Templer zum Gegenangriff blasen. Dann verteidigt Ihr Euer Gebiet in einem schlecht balancierten Tower-Defense-Minispiel, das nach dem ersten Mal langweilt. Damit Eure Feinde angreifen, müsst Ihr in Verruf geraten – das passiert durch Kämpfe auf offener Straße ebenso wie durch das Unterstützen des örtlichen Handwerks. In eroberten Vierteln investiert Ihr Geld in Schmieden, Apotheken, Buchhandlungen und Schneidereien, um Euer Gewand zu färben, Schatzkarten, Medizin sowie stärkere Waffen und Rüstzeug zu kaufen. Ebenfalls wieder dabei: Huren-, Diebes- und Söldner-Zünfte freischalten, um in den Straßen taktische Verbündete vorzufinden.

Sobald Ezio einen von fünf Masyaf-Schlüsseln in schick inszenierten Höhlen aufgespürt hat, die sich meist anspruchslos per gedrückter Trigger+Aktionstaste-Kombination und Stick nach oben absolvieren lassen, erlebt er eine von Altaïrs Erinnerungen nach. Diese Sequenzen dauern meist nur wenige Minuten und sind spielerisch irrelevant, dafür erfahrt Ihr, wie es nach dem Tod des Verräters Al Mualim bis zu Altaïrs Tod weiterging.

Zu Desmond dürft Ihr jederzeit wechseln, lohnend ist es aber nur, wenn Ihr vorher fleißig Animus-Artefakte (das Pendant zu den Federn) sammelt. Diese schalten auf Animus Island Desmond-Erinnerungen frei, in denen Euer Held über seine Kindheit bis zur Entführung durch Abstergo resümiert. Stilistisch sehr ansprechend, wird spielerisch lediglich ”Portal” für Arme serviert: Ihr baut in Ego-Sicht geometrische Formen über Abgründe, um zum Ziel zu gelangen.

Tag- und Nachtwechsel, enorm detaillierte Kostüme und wundervolle Lichtspiele stehen auf der Haben-Seite, hampelige Cutscene-Animationen, Einheitslook, fiese Ruckler und Tearing auf der anderen – man merkt Revelations nicht nur spielerisch an, dass es mit der heißen Nadel gestrickt ist. Leider bietet Konstantinopel trotz der multikulturellen Vergangenheit nicht die ikonische Architektur Roms oder Venedigs. Dennoch geht einem das Herz auf, wenn Ezio im Dämmerlicht ein Minarett nahe der Hagia Sofia erklimmt.

Obwohl Missionsdesign und Kämpfe kaum Überraschungen bieten und die Story das Niveau der Vorgänger nicht hält, vermag Revelations Serienkenner durchaus zu unterhalten. Was an Spielelementen geboten wird, funktioniert – und frei anwählbare Missionen motivieren zum 100%-Abschluss. Fans saugen die Story bis zum offenen Ende in sich auf, um schon 2012 das nächste Abenteuer zu erleben. Wer keinen der Vorgänger kennt, sollte aber einen Bogen darum machen und zu Assassin’s Creed II greifen. Das ist in sich konsistenter und spannender, Brotherhood spielerisch runder und bietet in jeder Hinsicht mehr.

Mehrspieler-Modus

Der Vorgänger Brotherhood führte den Multiplayer-Modus ein. Revelations greift dessen Stärken auf, optimiert das Balancing und verfeinert ihn mit frischen Modi, neuen freischaltbaren Perks, Fähigkeiten sowie Individualisierungsmöglichkeiten, die Ihr mit Abstergo-Punkten kauft. Neben neuen Karten sind auch Venedig und Rom enthalten und schaffen so eine grafische Vielfalt, die das Solo-Abenteuer vermissen lässt. Die Spielmodi sind Variationen von Deathmatch, Capture the Flag und Domination, zusätzlich müsst Ihr VIPs Eures Teams eskortieren und vor feindlichen Angriffen beschützen. Erneut spannend fallen Mordaufträge aus, bei denen Ihr ein Ziel aufspüren müsst, während Euch wiederum ein anderer Spieler nachstellt. Ein Radar hilft bei der Orientierung, doch nur genaue Beobachtungsgabe ermöglicht die Unterscheidung zwischen computergesteuerten Passanten und menschlichem Opfer. Clever: Wem es gelingt, Angreifer zu kontern, der stirbt zwar dennoch, schmälert aber die Belohnung des Widersachers beträchtlich. Unterm Strich fällt der neue Mehrspieler-Modus runder aus, nicht zuletzt durch die nun enthaltenen motivierenden Storyfragmente.

+ toller Multiplayer-Modus
+ drei spielbare Charaktere
+ Konstantinopel als Schauplatz
+ Bomben zum Selbstbasteln…

– … die spielerisch überflüssig sind
– schwacher 3D-Effekt
– Hauptstory lahm
– weniger Umfang und Spielelemente als in den Vorgängern
– zu wenig Neues bzw. Innovatives

Kerstin Mayer meint: Wenn eine Stadt an Rom heranreichen kann, dann Konstantinopel – dachte ich, als der Schauplatz für Relevations bekannt gegeben wurde. Nach Roms authentischer Farbpalette und atemberaubendem Himmel war ich vom knalligeren Anstrich und dem ewigen Dunst in Istanbuls Gassen dann aber enttäuscht. Die fein modellierten Minarette, der belebte Bazar und die verstreuten antiken Ruinen schreien trotzdem danach, erkundet zu werden. Nervig beim Herumstreifen: Die überwachsame Bevölkerung merkt fast alles – ein kleiner Taschendiebstahl und schon drohen Prügel. Trotz grauen Barts ist Ezio immer noch cooler als manch gesichtsloser Jungheld, zudem wird er auf seine alten Tage ein gutes Stück flotter: Durch Hakenklinge und Abseilen ist das Klettern noch dynamischer, so geht Ihr Auseinandersetzungen besser aus dem Weg.&nbsp

Michael Herde meint: Subjekt 16 nimmt es in seiner Ansprache zu Spielbeginn vorweg. Bei Revelations handelt es sich nicht – wie der Titel suggeriert – um eine Offenbarung, sondern um einen zusammengewürfelten Haufen übrig gebliebener Storyfragmente, Konzepte und Ideen, der für mich nur eines ist: überflüssig! Die drei Handlungsebenen tragen nichts bei, was nicht bereits erzählt worden wäre oder was man unbedingt wissen muss. Ezios Hauptstory kommt zu langsam in Gang und entwickelt seinen Charakter nicht weiter. Auch spielerisch finde ich diesen Aufguss enttäuschend. Die Bomben sind durch die niedrige Schwierigkeit so überflüssig wie die meisten anderen Waffen und Gegenstände, der Haken reduziert ein ehemals hervorstechendes Feature – das Klettern – zur Nebensache.&nbsp Elemente wie Reiten, Steckbriefe, Rätsel, virtuelle Missionen oder Klettergruften wurden entweder gestrichen oder spielerisch so stark vereinfacht, dass sie zum bloßen Schauwert verkommen. Vieles erscheint mir hier sinnlos: Der Höhepunkt des Absurden ist erreicht, wenn ich ohne Rechtfertigung die Handwerker der Stadt unterstütze, nur weil das ein etabliertes Element der Serie ist. Dafür waren die Texturen noch nie so scharf wie diesmal, doch die sandfarbene Stadt wirkt eintönig und auf den Dächern liegen überall die gleichen Schindeln.

Bis auf die schärfere Grafik ist Ezios letztes Abenteuer in allen ­Belangen ­schwächer als die beiden Vorgänger.

Singleplayer81
Multiplayer
Grafik
Sound