Gran Turismo 5 – im Test (PS3)

Faszination, Begierde, Frust – diese drei Emotionen haben Liebhaber virtueller Asphaltgeschosse besonders einem Spiel zu verdanken. Faszination lösten die fabelhaften Trailer und Feature-Ankündigungen aus. Begierde übermannte Grafikfetischisten mit dem Gedanken ’will haben’. Frust bekamen alle dürstenden Spieler zu spüren, die jahrelang vertröstet wurden. Jene, die jeden News-Schnipsel über dieses Epos verschlangen und jedes veröffentlichte Releasedatum glaubten – und enttäuscht wurden.
Doch für genau jene Spieler dürfte das langersehnte Erscheinen von Gran Turismo 5 mit einer himmlischen Erlösung vergleichbar sein. Schließlich schürte der Titel wie kein zweiter die Erwartungen. Endlich ist die Zeit gekommen, über 1.000 Autos aus ihrer Garage zu befreien und zu erfahren, ob sich die Warterei gelohnt hat.
Serien-Schöpfer Kazunori Yamauchi überließ nichts dem Zufall: Die enthaltenen Wagen und Rennstrecken wurden vor Ort exakt ausgemessen, auch das Motorengeheul der Boliden wurde aufgezeichnet und am Fahrverhalten nochmals geschraubt. Zudem holte er sich prominente Hilfe: NASCAR-Ass Jeff Gordon, Rallye-Champion Sébastien Loeb, Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel und Konstrukteurs-Legende Adrian Newey assistierten den Perfektionisten von Polyphony.
Diese Zutaten ebnen den Weg zu einem realistischen Bildschirmleben als Rennfahrer. Doch so einfach dürft Ihr nicht in einem der in den Showrooms hochpolierten Rennwagen Platz nehmen. Das dürftige Startkapital von 20.000 Credits reicht gerade mal für einen neuen Kompakten wie den Daihatsu Copen oder einen Suzuki Swift. Alternativ schaut Ihr Euch auf dem Gebrauchtmarkt um. Die übrigen Moneten langen vielleicht noch für einen Sportauspuff oder ein Chip-Tuning. Schon könnt Ihr Euer Glück bei Sonntagsfahrten versuchen, die Euch aber nur mit nur mäßigen Preisgeldern entlohnen.
Wer die höherdotierten Cups fahren will, braucht eine der sechs Rennlizenzen, die aufeinander aufbauen. Für jede absolviert Ihr jeweils zehn Fahrprüfungen. Wie im Vorgänger stehen Bremstests an, Überholmanöver auf Zeit sowie sauberes Fahren von Teilabschnitten oder kompletten Runden. Als Belohnung winken Bronze-, Silber- und Goldpokale sowie Bonuswagen. Wie üblich werden sich ehrgeizige Fahrer für Gold die Zähne ausbeißen und so manche Extrarunde drehen müssen, aber die Bonuswagen sind es wert.
So arbeitet Ihr Euch durch verschiedenste Cups – von der Anfänger-, Amateur-, Profi-, Experten- bis zur Extremserie. Anfangs dümpelt Ihr noch durch den Leichtgewichts-Cup oder ärgert Euch über Beschränkungen auf Frontantrieb oder japanische Wagen aus den 1990ern. Das kann ins Geld gehen, solltet Ihr nicht zufällig den passenden Wagen bereits in der Garage stehen haben. Erst später geht es richtig zur Sache – mit reinrassigen Rennwagen und Langstreckenwettbewerben. Dann winken auch satte Preisgelder, die Ihr umgehend beim nächsten Autohändler wieder ausgebt, um Euren Fuhrpark zu komplettieren.
Doch einfach wird es Euch auch hier nicht gemacht: 38 Automarken und 13 Tuning-Schmieden buhlen um Eure Gunst. Zu den Händlern gesellen sich neben den üblichen Verdächtigen wie Nissan, Mitsubishi, Mercedes, BMW oder Volkswagen auch Raserträume von Ferrari, Lamborghini und Ruf. Ebenso dürft Ihr in Exoten wie dem extra für Gran Turismo entwickelten Red Bull X1 oder dem Citroën GT Concept Car Platz nehmen.

In Gran Turismo 5 wollen 27 Strecken mit diversen Streckenvariationen gemeistert werden. Zu den altbekannten Pisten zählen Fuji Speedway, Suzuka Circuit, Daytona, Tsukuba und Laguna Seca. Besondere Erwähnung verdienen hier der Circuit de la Sarthe (Le Mans) mit fünf Varianten sowie der Nürburgring. Diesen befahrt Ihr nicht nur auf der Nordschleife, sondern auch auf dem Grand-Prix-Kurs. Wieder mit dabei sind die GT-typischen Fantasiekurse High Speed Ring, Autumn Ring, Deep Forest, Grand Valley, Trial Mountain, Eiger Nordwand und der frische Cape Ring.
Zu den neuen Umsetzungen echter Asphalt-Rennstrecken zählen Indianapolis, Monza sowie der Test Track des berühmt-berüchtigten UK-Fernsehformats ’Top Gear’. Stadtkurse in London, Rom, Madrid, Tokio und der Côte d’Azur peppen die Asphaltriege grafisch auf. Wem das nicht reicht, der darf im Strecken-Editor seine eigenen Kreationen auf die Festplatte bannen. Schließlich müsst Ihr Driftkünste auf drei Offroad-Kursen beweisen: Eiger Nordwand, Toscana und Chamonix stehen in zahlreichen Abwandlungen bereit.
Regenwetter gibt es nur auf ausgesuchten Strecken – ein variables Wettersystem sucht Ihr aber vergebens. Den Wechsel der Tageszeit bieten gar nur drei Pisten: Nürburgring, Circuit de la Sarthe sowie die Schotterstrecke in der Toscana, in der die Sonne schnell, aber spektakulär untergeht.
Genreüblich dürft Ihr vor dem eigentlichen Rennen am Setup schrauben und Fahrhilfen wie Traktionskontrolle, ABS etc. zu- oder abschalten. Dann findet Ihr Euch an einem zufälligen Startplatz in der Mitte des Feldes zum stehenden Start wieder. Bei einigen Rennserien wie der NASCAR geht es dagegen mit einem fliegenden Start im maximal 12-köpfigen Fahrerfeld los. Aggressive Piloten müssen aufpassen: Das übereifrige Rammen der Gegner oder das Abkürzen der Strecke kostet mehr Sekunden als in den Vorgängern – später hagelt es zudem Zeitstrafen. Ebenso verschleißen bei Hauruck-Aktionen die Reifen schneller, was gerade bei längeren Rennen einen zusätzlichen Boxenstopp notwendig macht und Euch so den Sieg kosten kann.
Langstrecken-Cups erfordern Stopps in Eurer Garage: Bei der Einfahrt in die schön modellierte Boxengasse entscheidet Ihr, welche Reifenart aufgezogen und wie viel Liter Benzin nachgefüllt werden soll.
Neben den serientypischen Cups mit Beschränkungen auf PS, Antrieb oder Herkunft wurden auch einige echte Rennserien lizenziert. Bei der japanischen GT-Serie gehen Rennboliden von Toyota, Nissan und Honda aufeinander los. Wer noch mehr Abwechslung sucht, findet unter ’Spezial’ außergewöhnliche Aufgaben. Hier dürft Ihr z.B. mit agilen Karts schnelle spaßige Runden hinlegen. Ernster wird es bei der Mercedes-AMG-Fahrschule oder bei Jeff Gordon persönlich: Die Rundkurs-Legende erklärt Euch das Windschattenfahren bei NASCAR-Rennen. Die taktischen Duelle tragt Ihr mit dem Chevrolet Impala oder dem Toyota Camry in Indianapolis oder Daytona aus.
Nicht minder spannend geht es abseits des Asphalts zu: Mit offiziellen WRC-Rallye-Wagen jagt Ihr über Schotter, Sand und Schnee. Dabei heizt Ihr über Rundkurse im Kampf gegen drei Gegner und deren Staub- bzw. Schneefahnen, die sie spektakulär hinter sich herziehen. Das sensible Fahrverhalten beim Driften ist auf den rutschigen Untergründen nur nach einiger Einarbeitung zu meistern. In der Offroad-Fahrschule steht Euch Sébastien Loeb als Ratgeber zur Seite.

Unter dem Punkt ’GT-Auto’ gibt es neben Autowäsche, Ölwechsel und Felgen bekannter Hersteller auch Lackierungen für Eure Fahrzeuge – vorausgesetzt Ihr habt die Wunschfarbe freigespielt. Für erfüllte Aufgaben erhaltet Ihr außerdem Objekte wie neue Hupen, die Ihr in Eure Wagen einbauen dürft.
Mehr Sinn haben da Aerodynamik-Teile oder Ihr rüstet Euren Straßenwagen mit einem Renn-Kit auf. Traditionsgemäß spielt GT 5 beim Thema Tuning der inneren Werte seine Stärken aus: Hobby-Mechaniker verstärken das Chassis, verbauen Turbolader, Nitroeinspritzung oder Rennkupplungen. Komponenten wie Getriebe und Fahrwerk lassen sich erst in höheren Ausbaustufen an Eure Fahrweise anpassen. Ebenso wichtig sind die Reifen: Weiche Mischungen beispielsweise verbessern den Grip, halten aber nur wenige Runden. Harte Pneus dagegen können Euch vielleicht einen lästigen Boxenstopp ersparen. Habt Ihr genug von Karriere und Tuning, dürft Ihr jederzeit eine Runde im Arcade-Modus drehen, der auch für Testfahrten potenzieller Kaufobjekte dient.
Technisch gefällt Gran Turismo 5 mit 1080p-Auflösung, 3D-Funktionalität und der Möglichkeit, eigene Playlisten für Musik zu erstellen, was den nervenden Soundtrack schnell vergessen macht. Die optionale Festplatteninstallation verbrät eine Dreiviertelstunde – alternativ installiert das Spiel beim erstmaligen Aufrufen von Funktionen oder Strecken automatisch benötigte Dateien.
In Sachen Mehrspieler dürft Ihr zu zweit im Splitscreen antreten. Den längst überfälligen Online-Modus konnten wir bis Redaktionsschluss nicht testen. Nächsten Monat werfen wir aber einen ausgiebigen Blick auf Lobby-System, Mehrspieler-Rennen und ’Gran Turismo TV’.

+ umfassender Karrieremodus
+ Optik der Premium-Wagen ist grandios
+ detaillierte Tuning-Möglichkeiten

– enttäuschendes Schadensmodell
– Standard-Automodelle und einige Strecken fallen grafisch ab
– weniger Strecken als im Vorgänger

Thomas Stuchlik meint: Endlich hatte der Rennspiel-Gott ein Einsehen! Endlich darf ich über grafisch wunderschöne Asphalt-Kreationen rasen. Endlich darf ich eigene Strecken basteln. Endlich darf ich meine Garagenschätze in HD ablichten. Doch halt: Trotz aller Euphorie erscheinen selbst mir als Gran Turismo-Fan der ersten Stunde einige Dinge halbgar: Angesichts der ansonsten grafischen Klasse enttäuscht das Schadensmodell. Dazu kommt die fragwürdige Unterteilung in Standard- und Premium-Modelle – inklusive diverser Beschränkungen. Auch werden weniger Strecken als im Vorgänger aufgeboten, gerade an Rundkursen und Rallye-Strecken mangelt es. Das riecht nach kostenpflichtigem Download-Content, bei dem vielleicht auch ein vernünftiges Schadensmodell dabei ist? Doch selbst diese unschönen Details trüben nicht meine Begeisterung über den gigantischen Karriere-Modus, das vielschichtige Fahrverhalten und monatelange Herausforderungen hinter dem Steuer und der Foto-Kamera.

Die lang erwartete Rennspiel-Legende entfaltet ihre volle Faszination mit riesigem Fuhrpark, Bombast-Optik und Strecken-Editor.

Singleplayer		92
Multiplayer
Grafik
Sound