Der Film und Fernseh Thread

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  • #1743258
    Anonym
    Inaktiv

    The Northman

    Ein Vikinger König wird durch seinen Bruder ermordet, der dessen Reich und Frau an sich reißt und den Sohn des Ermordeten vor Rache dürstend zurücklässt und … es ist Hamlet als Vikinger-Adaption. Wer das Original kennt, der weiß wie auch dieser Film ausgeht!

    Dabei ist die Adaption kein Historiendrama, noch ein kompletter Fantasy-Nonsens. Er reiht sich irgendwo dazwischen ein und in den paar Actionszenen nimmt er sich kein Stück zurück. Blut fließt, Körper und Teile nicht nur namendlich von einander getrennt und alles ist dreckig und grau. Wobei der Film sogar eine sehr gute Ausstattung aufweist, die endlich mal weg vom ewigen “Biker-Viking” mit Lederfetisch geht.

    Leider geht der Streifen über zwei Stunden, so dass die Actionszenen wie Oasen in der Wüste wirken. Man kann sie in der Ferne schon immer fast erkennen und das hilf etwas über die langen und drögen Teile zu kommen – irgendwie zumindest.
    Auch dieser Film leidet unter dem altbekannten Problem der heutigen Filme: sie sind zu lang für das, was sie bieten, weil der Fokus fehlt!

    Auf 90 Minuten heruntergdampft und mit mehr “Der Geist und die Dunkelheit”-Anleihen, wäre das ganze geniesbarer gewesen. So bleibt ein Film mit Artsy-Fartsy-Flair, der die Actionliebhaber nicht abholt und die sich lieber noch einmal “Der 13 Krieger” ansehen sollten und das Komm-Nase-wir-gehen-Publikum unbefriedigt zurück lässt.
    Adaptionen von Shakespeare Stoffen gibt es genügend und dieser hat nichts, das es ihn mit zu den besseren zählen lässt.

    #1743292
    ghostdog83ghostdog83
    Teilnehmer

    [quote quote=1743258]es ist Hamlet als Vikinger-Adaption. Wer das Original kennt, der weiß wie auch dieser Film ausgeht![/quote]

    [quote quote=1743258]Dabei ist die Adaption kein Historiendrama, noch ein kompletter Fantasy-Nonsens.[/quote]

    Ich habe mir den Film auch angesehen mit dem Wissen, dass es sich hierbei um eine Adaption des Werkes von Saxo cognomine Longus handelt, von dem sich William Shakespeare hat inspirieren lassen, um Hamlet zu schreiben – sprich, die nordischen Mythen und übernatürlichen Elemente sind hier nicht fehl am Platz.

    #1743293
    ChrisKongChrisKong
    Teilnehmer

    Ich hab den Film auch hier rumliegen und werde sicher demnächst reinschauen. Gemeinhin entnehme ich der Kritik, dass Eggers einmal mehr starke Bilder schafft, aber substanziell zu wenig liefert, respektive nichts draus macht. Ich kenn bislang nur der Leuchtturm und würde das dort so nicht sagen. Ob das bei dieser Rachestory anders sein wird oder es letztlich an den üblichen Limitierungen des Genres zu einer halbseidenen Erfahrung wird, seh ich dann ja.

    #1743294
    ghostdog83ghostdog83
    Teilnehmer

    [quote quote=1743293]aber substanziell zu wenig liefert[/quote]

    Ist wohl eher eine Frage, wie sehr man mit der Materie vertraut ist und ein Interesse daran hat, sich damit auseinanderzusetzen – der Film liefert dahingehend schon noch genug Inhalt, um sich gedanklich damit zu befassen.
    Rein als Unterhaltungsfilm wird es sicherlich schwieriger, den Zuschauer dafür zu gewinnen: Wenn das Interesse fehlt, hackt man das Geschehen schnell ab und fährt gedanklich fort.

    #1743299
    Anonym
    Inaktiv

    @ghostdog83 , ich habe mir den Film angeschaut, weil ich druch die Bank nur gehört und gelesen habe, dass der Film bildgewaltig und so furchbar brutal wäre – und von einigen HEMA-Leuten, dass es doch einigen historischen korrekten Anspruch gibt.

    “…- sprich, die nordischen Mythen und übernatürlichen Elemente sind hier nicht fehl am Platz.”
    Habe ich auch nicht behauptet – und auch nicht negativ kritisiert. Jede dieser Szenen könnte man auch als durch Rauschmittel hebeigeführt erklären. Wer jedoch einen komplett in der Realität verankerten Film sehen will, ist hier aber an der falschen Stelle.

    Und substanziell liefert der Film einfach zu wenig – zumindest auf die Laufzeit betrachtet. Die paar Actionszenen machen es nicht zum Kracher und das zwischenmenschliche Miteinander und auch die Darsteller sind gut, aber für eine Rachegeschichte ist es einfach zu unspannend. Dafür glaube ich nicht, dass das eher an diesem Aspekt interessierte Publikum auf eben die Actionszenen steilgehen wird oder daraus einen Mehrwert ziehen.

    “Ist wohl eher eine Frage, wie sehr man mit der Materie vertraut ist und ein Interesse daran hat, sich damit auseinanderzusetzen…”
    Da das von Dir angesprochene Werk von Saxo cognomine Longus wohl nicht so bekannt ist – ja, ich lehne mich da weeeeeeeeiiiiiit aus dem Fenster -, Hamlet hingegen schon irgendwie, frage ich mich, wie man sich damit auseinandersetzen will und in welcher Form, denn hier ist eben für mich der Fehler, dass er Film den Spagat nicht schafft und man sich besser auf einen Aspekt, d.h. Drama oder Äcktschn, hätte konzentrieren sollen.


    @ChrisKong
    , den Leuchtturm hab ich noch auf meiner Liste. Da hab ich verstanden, geht es um die zwei Werter und das Miteinander zwischen ihnen an einem eher limitierten Ort. Das kann funktionieren. Bei Nordmann hat es das für mich nicht.

    #1743302
    ChrisKongChrisKong
    Teilnehmer

    @Nightrain
    Der Leuchtturm ist halt wieder klassischer und reiner Arthouse, das heisst, er kann funktionieren für den einen Rezipienten und für den anderen völlig nichtssagend sein. Im Grunde gehts um ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis, um Unterdrückung und Unterwerfung, wo sie beginnt und wo sie endet. Sicher auch ein sehr interessanter Diskussionsgegenstand.

    Bei the Northman seh ichs eben so, dass der Film mir gewisse Inhalte vermitteln muss. Wenn er erst durch Recherche an Wert gewinnt, hat er meiner Meinung nach sein Ziel verfehlt. Ob das jetzt die xte Iteration eines Hamlet-Werks oder dessen Ursprung ist, spielt dabei keine Rolle. Schlussendlich nehme ich ja das mit, was mir der Film liefert und das ist für mich relevant bei der Beurteilung. Wenn ich mich recht zurückerinnere, da war Boormans Excalibur auch meine erste Berührung mit dem Mythos von Arthur. Und der Film bespielt so viele starke Motive, dass er für sich alleine eine Auseinandersetzung erlaubt.

    #1743303
    Anonym
    Inaktiv

    @ChrisKong , vom Leuchtturm verspreche ich mir etwas im Sinne von “Rope” (“Cocktail für eine Leiche”), “Devot” oder “The Secretary”. Die leben ja auch vom Miteinander der Figuren.

    #1743304
    ChrisKongChrisKong
    Teilnehmer

    Es ist aber eher ein Gegeneinander als ein Miteinander. 🙂
    Aber wie gesagt, das ist kein zwischenmenschliches Charakterdrama, sondern lässt diese einfach als Bestandteile einer Symbolik agieren.

    #1743353
    ghostdog83ghostdog83
    Teilnehmer

    Und substanziell liefert der Film einfach zu wenig – zumindest auf die Laufzeit betrachtet.

    Ich nehme an, du tust dich auch mit Filmen wie Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford schwer, die sich Zeit nehmen, damit sich eine Szene in ihrer Wirkung so entfalten kann, wie sie vom Regisseur vorgesehen ist – das ist nämlich etwas, was ich immer wieder vermisse, wo zu abrupt von einer Szene zur nächsten Szene gesprungen wird, als wenn die Aufmerksamkeitsspanne des Zuschauers nur von kurzer Dauer sei, dieser davorsteht, die Reißleine zu ziehen – mir ist natürlich auch bewusst, dass nicht jeder für eine bestimmte Art Film empfänglich sein kann: Der eine bevorzugt eine möglichst hohe Dialogdichte, durchdrängt von Vielschichtigkeit, andere verschreiben sich lieber einer Achterbahnfahrt an Abhandlungen. Alles, womit ich selbst auch keine Berührungsängste habe. Dem Film mangelnde Substanz zu bescheinigen, ist dein gutes Recht, ebenso, ihn gar nur auf eine Rachegeschichte zu reduzieren, genauso, wie es Positionen gibt, die dem nicht zustimmen würden.

    #1743362
    Anonym
    Inaktiv

    @ghostdog83 , mich würde Deine Kritik/Zusammenfassende Meinung interessieren. Wir diskutieren ja nur anhand meiner, der Du nicht so Recht zustimmen magst – was auch ok ist. Mich würde daher etwas mehr von Deiner Seite interessieren.


    @ChrisKong
    , ich bekomme hier dieses Déjà-vu Gefühl; kannst Du dich noch an unsere Film-Interpretationszeit erinnern? Könnte man wieder aufleben lassen. 😉

    #1743365
    ChrisKongChrisKong
    Teilnehmer

    Ja, das waren Zeiten. Muss heute aber auch sagen, dass ich div. Sachen anders sehe, oder leicht anders. Ich geh da schon immer häufiger nach dem Prinzip, dass es mir egal ist, was mir der Regisseur sagen wollte. Schlussendlich ist es entscheidend, was beim Rezipient ankommt. Ich kann ja da auch nur mutmassen, was der Macher sagen wollte und oft wissen die das nicht mal selber. Die Kunst sollte immer über dem Künstler stehen. Die Frage muss lauten, was will mir das Werk sagen. Ich kann ja in Unkenntnis von der Motivationslage des Künstlers ja nicht beurteilen, ob er sein Ziel letztlich erreicht hat. Ich spreche natürlich von inhaltlichen Implikationen. Das Handwerkliche kann man sicher mit seinem Erfahrungsschatz abgleichen. Bei den meisten Filmen eines Genres ist die Absicht ja eigentlich klar. Ich bin wirklich schon gespannt auf den Film und ob er sein Arthouse-Feeling entfalten kann oder doch gewöhnlicher ist als erwartet.

    #1743400
    ghostdog83ghostdog83
    Teilnehmer

    [quote quote=1743362]Mich würde daher etwas mehr von Deiner Seite interessieren.[/quote]

    Meine Sichtung liegt nun schon mehr als 2 Monate zurück – eine umfassende Besprechung würde daher nicht meinen Ansprüchen genügen, daher nur im groben, was der Film über die reine Abhandlung einer Rachegeschichte hinaus noch zu bieten hat, an dem für mich doch dominierenden Motiv:

    Anm: Der Text enthält Spoiler

    Der Film versetzt uns in eine Welt, die stark von toxischer Männlichkeit geprägt ist, wo die brutale Dominanz gegenüber dem anderen vorherrscht, Stolz und Ehre ein Leitmotiv ist, Frauen als hilflos, schwach angesehen werden – Amleth, sieht in seiner Mutter eine Frau, die er gedenkt zu retten, die gegen ihren Willen aus ihrem vorherigen Leben gerissen wurde, dazu gezwungen, einen anderen Mann zu ehelichen, Kinder mit ihm zeugen, was sich im Verlauf als Trug herausstellt, aufzeigt, wie eine Frau in einer solchen Gesellschaft überleben kann, ohne schwach zu sein, während sich bei der Figur des Amleth zunehmend die Frage aufwirft, ob sein Annsinnen auf Rache wirklich gerechtfertigt sei: er, der selbst von Kindheitsbeinen an ein Opfer dieser von toxischer Männlichkeit geprägten Gesellschaft ist, der im Verlauf zunehmend Abgründe aufzeigt, die ihn nicht als eine Art Helden zeigen, sondern vielmehr zu einem Überbringer von Tod, Leid und Elend – auch für sich selbst.

    In dem Zusammenhang ist wenig überraschend, dass der Film von der Alt-Right Bewegung missverstanden wird, was Eggers zum Ausdruck bringen möchte, den Film als Bestätigung für ihr Weltbild sehen:

    Bei der Londoner Premiere von The Northman Anfang April erklärte der Regisseur Robert Eggers auf der Bühne, wie er die Geschichte der Wikinger von rechten Gruppen zurückfordern will. Viele dieser Gruppen leben von Mythen über eine imaginäre europäische Vergangenheit: eine Zeit vor der Rassenvermischung oder der fortschrittlichen Politik, in der Männer mächtige Krieger und Frauen willfährige Kindergebärende waren.

    Wie Eggers kürzlich gegenüber dem Observer erklärte, hätten ihn solche Assoziationen fast davon abgehalten, The Northman zu schreiben. “Das Macho-Klischee dieser Geschichte, zusammen mit der rechtsgerichteten Zweckentfremdung der Wikingerkultur, hat mich irgendwie allergisch gemacht, und ich wollte einfach nicht dorthin gehen. Eggers hat von seinen wissenschaftlichen Recherchen und seinem Engagement gesprochen, die Geschichte der Wikinger bis in die kleinsten Details richtig darzustellen. Aber so gründlich und vollendet The Northman auch ist, es könnte tatsächlich die Art von Film sein, die die “Alt-Right” liebt.

    Die Gesellschaft des 10. Jahrhunderts in The Northman scheint einheitlich weiß und fest entlang patriarchalischer Linien geteilt zu sein. Die Männer regieren und töten, die Frauen intrigieren und machen Babys. Der Held, gespielt von Alexander Skarsgård, ist nicht weit entfernt vom “Macho-Stereotyp”, das Eggers beklagt – ein bulliger Krieger, der die meisten Streitigkeiten mit dem Schwert und ohne Hemd regelt. Skarsgårds Geliebte, gespielt von Anya Taylor-Joy, könnte die Traumfrau des rechtsextremen Mannes sein: schön, blond, ihrem Mann treu ergeben und bereit, ihm Nachkommen zu schenken. Schon vor der Veröffentlichung des Films äußerten sich rechtsextreme Stimmen auf der anonymen Message-Board-Seite 4chan zustimmend: “Northman ist ein basierter [angenehmer] Film, komplett weiß besetzt und zeigt pure, rohe Männlichkeit.” “Robert Eggers. Mit seinen großartigen Filmen stellt er den Stolz auf unser Volk wieder her. The Northman wird episch sein … Hail Odin.”

    Nach der Kundgebung in Charlottesville 2017 argumentierte Dorothy Kim, eine asiatisch-amerikanische Dozentin für mittelalterliche Literatur an der Brandeis University in Massachusetts, dass “die Mediävistik eng mit der weißen Vorherrschaft verwoben ist und das schon seit langem”. Die Wissenschaft habe nicht genug getan, um den Mythen entgegenzuwirken, dass das mittelalterliche Europa eine Bastion der Rassenreinheit gewesen sei, sagte Kim, der daraufhin von Akademikern und der extremen Rechten angegriffen wurde. Diese Mythen wurden größtenteils von Historikern des 19. Jahrhunderts mit nationalistischen Absichten geschaffen, aber neuere Forschungen zeigen, dass Gesellschaften wie die im Skandinavien der Wikingerzeit tatsächlich multikulturell und multirassisch waren.

    https://www.theguardian.com/film/2022/apr/22/norse-code-white-supremacists-reading-the-northman-robert-eggers

    #1743408
    DGSDGS
    Teilnehmer

    Was ich an den Filmen von Robert Eggers so schätze ist, dass er Bilder schafft, die die Welt so zeigen, wie sie von den Protagonistinnen gesehen wird.

    Deshalb ist man sich als Zuschauer oft nicht sicher, ob das nun “Traum” oder Wirklichkeit ist, weil es zum Beispiel dem Weltbild eines Wikingers von vor über 1000 Jahren, oder im Fall von “The Witch” den Vorstellungen amerikanischer Siedlern aus dem 16. Jahrhundert entspricht. Mir taugt sowas.

    #1743409
    ghostdog83ghostdog83
    Teilnehmer

    Eggers konnte mit seinen bisher erschienenen Werken auch bei mir punkten (3/3) – ich hoffe sehr, er kann sein Wunschprojekt (Nosferatu) irgendwann verwirklichen, wenn sich ein Studio dazu erbarmt, dies zu ermöglichen.

    #1743410
    ChrisKongChrisKong
    Teilnehmer

    Wie gesagt, ich kenne nur der Leuchtturm und fand diesen wirklich sehr gut. Aber in Bezug auf the Northman gabs halt auch recht unterschiedliche Meinungen zu. Ich stimme Schmitt in div. Punkten nicht zu, aber er stellt schon ein paar interessante Fragen in den Raum in Bezug auf die generelle Methodik. Es wird ja nicht bestritten, dass er grosse Bilder schafft.

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