The Elder Scrolls V: Skyrim – im Test (PS3)

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Auf dem kräftigen Rücken Eures Rappen galoppiert Ihr durch feuchtkaltes Heideland. Majestätisch und unnahbar wächst vor Euch ein gigantischer Felsbogen aus dem Morgennebel. Dort oben thront die Festungsstadt ’Einsamkeit’, das Ziel Eurer Reise. Noch vor zwei Wochen hätte Euch der Anblick einen Schauer über den Rücken gejagt, inzwischen habt Ihr aber zu viel gesehen, für dessen Schilderung Euch selbst ein versoffener Barde im Mohnzuckerrausch für wahnsinnig erklären würde. Das Richtbeil eines kaiserlichen Henkers aus nächster Nähe. Die Rückkehr der Drachen. Und jedes Mal, wenn Ihr Eure eigene Reflexion in einem Wassertümpel betrachtet: Euch selbst, Dovahkiin, das legendäre Drachenblut!

Wer weiß, warum Euch Euer Weg gerade nach Einsamkeit geführt hat. Vielleicht sucht Ihr dort einen Mittelsmann, der Euch in eine streng bewachte Botschaft der Hochelfen schleust? Oder Ihr habt Euch im Bürgerkrieg auf die Seite der Separatisten geschlagen und plant einen Anschlag auf den kaiserlichen Stützpunkt der Stadt? Vielleicht gehört Euch da oben aber auch ein behagliches Stübchen und Ihr könnt es kaum abwarten, Eurem Ehepartner die neuesten Heldentaten zu erzählen. Von einer abenteuerlichen Expedition in ein Heldengrab, einer verloren geglaubten Höhlenstadt oder der Domäne eines finsteren Dämonenprinzen zum Beispiel. Die Möglichkeiten sind unzählbar, denn die Bethesda Game Studios setzten das Credo ihrer Rollenspiel-Saga The Elder Scrolls auch im fünften Serienteil meisterhaft um.

So lange es nichts mit Atombomben oder Terroristen zu tun hat, denn in Skyrim, der nördlichsten Provinz des Märchenreiches von Tamriel, bestimmt perfekter Eskapismus die Tagesordnung. Von den 200 Jahren, die in der Spielwelt seit dem Vorgänger Oblivion vergangen sind, merkt man in dem archaischen Land voller Barbaren, Mammuts und Schneetrollen indes wenig. Lediglich die Tatsache, dass der Einfluss des Kaiserreiches über Himmelsrand schwindet und immer mehr Nordmänner die Unabhängigkeit fordern, ist ein Indiz für das neue Kapitel in der Weltchronik der Elder Scrolls. Der Bürgerkrieg ist denn auch eine der umfangreichsten Questreihen, auf die Ihr Euch bei Eurem Aufenthalt in Himmelsrand stundenlang konzentrieren könnt.

Genauso gut dürft Ihr Euch auch einer der Gilden anschließen und Euch als Söldner, Dieb, Magier oder gedungener Mörder versuchen. Ein globales Moralsystem wie im Endzeit-Hit Fallout 3 hat Bethesda in Skyrim bewusst weggelassen. Theoretisch könnt Ihr in einer der neun Spielregionen als Meuchler gesucht werden und Euch in einer anderen als gefeierter Held ein Haus kaufen. Zahlreiche Fraktionen und Interessengruppen lassen Euch in ihrer Gunst aufsteigen, wenn Ihr für sie Rohstoffe beschafft, verschwundene Bürger aufspürt oder Banditennester ausräuchert. Oder wie wäre es mit den Altären der dämonischen Daedra-Prinzen, von denen Euch jeder mit einem sagenhaften Artefakt belohnt, wenn Ihr seinen gottlosen Auftrag erfüllt? Vielleicht steht Euch auch der Sinn nach einer Nahtod-Erfahrung der ansteckenden Art und Ihr lasst Euch von einem Vampir oder Werwolf beißen und infiziert Euch mit deren gestaltverändernden Blutkrankheiten? Und apropos Blut: All diese Betätigungsfelder werden von einer Rahmenhandlung zusammengehalten, die Euren Spielcharakter als vom Schicksal auserkorenen Drachenkrieger kreuz und quer über die dreidimensionale Reliefkarte schickt. Mangels Überraschung und Charaktertiefe kann die Haupthandlung zwar immer noch nicht mit den Dragon Age-Dramen von BioWare mithalten, origineller und rasanter als die Dämoneninvasion aus Oblivion ist sie aber allemal.

Mit etlichen Drachenduellen und der Unterweisung Eurer Spielfigur in der Sprache der Himmelsechsen bietet die Skyrim-Story genug Stringenz, um als loser roter Faden durch das dichte Netz aus Questreihen zu führen, welches Bethesda über seinen pittoresken Nord-Naturpark spannt.

Allein die Erforschung sämtlicher Kartenmarkierungen der Provinz Himmelsrand kann als eigene Aufgabenstellung mit über 100 Stunden Spieldauer gelten. Dabei ist das Spielareal von Skyrim mit ca. 41 Quadratkilometern nicht größer als Cyrodiil aus Oblivion, aber schöner, voller und lebendiger. Bethesda steckte diesmal merklich mehr Aufwand in die naturgetreue Gestaltung von schneebedeckten Bergkämmen, Birkenhainen mit gelbem Laubwerk und Eisschollenfeldern, die als großformatige Bildschirmfotos neben Gemälden von Caspar David Friedrich hängen könnten. Wo Ihr Euch eine Reise in den Hintergrund von Friedrichs romantischen Gemälden buchstäblich ausmalen müsst, reitet Ihr in Skyrim einfach hin.

Wenn Ihr Euch nicht gerade ganz am Himmelsrand von Skyrim befindet, könnt Ihr sämtliche Punkte am Horizont auch erreichen. Und die Akribie der Weltgestaltung macht an der Oberfläche nicht Halt. Zwar entstanden die Städte und Dungeons am Editor, es ist aber ein gewaltiger Unterschied, ob dessen Bausteine von Hand platziert oder per Zufallsgenerator verteilt wurden.

So verfügt jedes Bauernkaff, jedes Bergwerk und jeder Drachentempel über ein gestalterisches Konzept und Farbschema. Skyrims Landschaftsgärtner schufen aber nicht nur rein atmosphärische Kabinettstückchen, sondern verlagerten auch Elemente der Charakterentwicklung direkt aufs Spielfeld.

Verglichen mit Oblivion oder dem dritten Elder Scrolls-Teil Morrowind wirkt das Regelwerk von Skyrim deutlich gestrafft. Im Charakter-Editor entscheidet Ihr Euch lediglich für eine der zehn Tamriel-Rassen und justiert Geschlecht und Aussehen Eurer Spielfigur. Klassen oder Sternbild-Boni gibt es nicht mehr. Stattdessen stehen überall in Himmelsrand Monolithen herum, die bei Berührung Euren Lernfortschritt in einer der drei Fähigkeits-Kategorien beschleunigen, ein Attribut verbessern oder den Wert einer Fähigkeit wie Traglast erhöhen. Dabei werdet Ihr schon zu Beginn Eures Abenteuers mit der Nase auf den Standort von Krieger-, Magier- und Diebesstele gestoßen. Findet Ihr später einen Monolithen, der Euch besser gefällt, dürft Ihr eine Steinsegnung jederzeit durch eine andere austauschen. Somit müsst Ihr Euch nicht mehr zu Beginn auf einen Spielstil festlegen und erweitert zusätzlich die Möglichkeiten Eurer Charakter-Entwicklung parallel zur Erkundung der Welt.

Ob Ihr nun einen katzenartigen Vampirmagierdieb oder einen zartbesaiteten Barden im Körper eines bretonischen Bierkutschers spielt, jeder Spielcharakter verfügt neben unterschiedlich ausgeprägten Talenten über eine Sammlung aus Drachenschreien. Während Eure Zauberfähigkeiten von der Magicka-Energie und Waffenangriffe vom Ausdauerbalken abhängen, wird die Nutzung der sogenannten Thu’ums durch eine kurze Cooldown-Phase eingeschränkt. Allerdings verfügt über stärkere Schreie, wer in der Welt herumgekommen ist und alle Silben eines Schreis gefunden hat. Erst wenn Ihr z.B. mit den drei Silben ’Fus-Ro-Dah’ die stärkste Stufe des Thu’ums ’Unerbittliche Macht’ freigeschaltet habt, schleudert Ihr Eure Gegner damit zwanzig Meter durch die Gegend. Mit nur einer Silbe blast Ihr Eurem Feind nur ein Drachenrülpserl ins Gesicht.

Insgesamt fällt die Charakter-Entwicklung deutlich komfortabler aus als in den Vorgängern. Zwar stärkt Ihr Eure Fähigkeiten noch immer durch ihre praktische Ausübung, müsst aber nicht mehr eine halbe Stunde durch Wald und Wiesen hopsen, um Euren Akrobatik-Skill zu verbessern. Sämtliche Spielhandlungen, die in früheren Serienteilen nur dem Zweck dienten, Eure Fähigkeiten zu steigern, wurden ersatzlos gestrichen. Auch langatmige Minispiele wie das Laber-Glücksrad aus Oblivion entfleuchten ins Walhall der langweiligen Spielmechaniken. Um Eure Redefähigkeit zu optimieren, treibt Ihr nun einfach Handel. Lediglich Schlösser knackt Ihr noch von Hand, allerdings in der runderen Spielvariante aus Fallout 3.

Auch die Kämpfe im Drachenland laufen nach einem einfachen Prinzip ab. Die Schultertasten entsprechen den Händen Eures Charakters. Drückt Ihr eine Taste, kommen in der jeweiligen Hand befindliche Waffen, Schilde oder Zaubersprüche zum Einsatz. Je länger Ihr drückt, desto mächtiger der Angriff. Zwei ausgerüstete Waffen resultieren in effektiven Fuchtelangriffen, beidhändig gewirkte Zauber in schwerer arkaner Artillerie. Wer keine perfekt spielbaren Schwertduelle im Stil von Dark Souls erwartet, bekommt somit ein Kampfsystem, das fast sämtliche Waffenkombinationen eines Fantasy-Rollenspiels ordentlich abbildet. Zumindest aus der noch immer favorisierten Ego-Perspektive.

Hinterlistige Schleichangriffe mit Pfeil und Bogen sowie kombinierte Feuerwerke aus Blitz- und Flammenzaubern gehen tödlich flüssig von der Hand. Die Nahkämpfe wurden mit zufällig ausgeführten Finishing-Moves aufgepeppt, welche allerdings nicht darüber hinwegtäuschen können, dass Rhythmus und fehlendes Trefferfeedback beim Klingenkreuzen noch immer Raum für Verbesserungen lassen.

Dass die Gefechte mit Eisgeistern, zwergischen Dampfgolems oder untoten Draugr mit jeglicher Waffengattung trotz schwacher KI einen Heidenspaß machen, liegt nicht zuletzt an der offenen Spielwelt, deren Interaktionsmöglichkeiten sich auch martialisch nutzen lassen. Eine Übermacht von Untoten überrascht Euch beim Grabräubern? Warum lockt Ihr sie nicht in eine Stachelfalle oder eine Lache mit brennbarem Öl? Ein Drachenboss ist Euch zu groß? Flieht zu einer Mammutherde und wartet, bis sich die Riesenbiester gegenseitig aufgerieben haben. Doch seid auf der Hut! Manchmal richtet sich die lebendige Spielwelt auch gegen Euch und Ihr findet eine Elfenmagd nur wenige Stunden nach ihrer Rettung aus einem Folterkeller tot im Wald. Banditen? Wölfe? Wer weiß?&nbsp Das nonlineare Seriencredo wurde noch in keinem anderen Elder Scrolls-Teil derart konsequent umgesetzt. So gibt Euch Skyrim etwas, das in Zeiten enger HD-Schläuche mit ein paar Stunden Spieldauer nicht hoch genug geschätzt werden kann: einen drachenstarken, frei begehbaren Abenteuerspielplatz mit sagenhaftem Inhalt für Hunderte von Stunden. In diesem Sinne: Nehmt Euch Urlaub, sattelt Eurer Pferd und dann tut, was Ihr wollt!

+ wunderschöne Grafik
+ tolle Musik
+ grandiose Drachenkämpfe
+ keine Levelgrenze des Charakters
+ Quests für über 300 Stunden
+ frei erkundbare Welt
+ viele Tätigkeiten zur Auswahl
+ drei verschiedene Fraktionen
+ keine Langeweile bei mehrmaligem durchspielen
+ Möglichkeit der Ehe-Schließung

– teilweise lange Ladezeiten
– ab und zu Kantenflimmern

Max Wildgruber meint: Obwohl Bethesdas Bekenntnis zum Komfort für mich alten Rollenspielsack zunächst nach dem uncoolen Thu’um ’Ca-Su-Al’ klang, entpuppte sich Skyrim im Langzeittest schon fast als Quintessenz des Rollenspiels. Sicher, der wegrationalisierte Bruchfaktor Eurer Ausrüstung entbindet vom Zwang zur Zweitwaffe. Na klar, die Komplettregeneration beim Levelanstieg nutzen Powergamer zur Gratis-Heilung. Und ach du lieber Akatosh, wer auf einem Pferd sitzt, darf im überladenen Zustand gar die Schnellreise nutzen. Hier heißt das Zauberwort aber: darf! Wer Skyrim als ernsthafte Simulation spielen will, verzichtet eben auf die Luxus-Sperenzchen. Viel wichtiger ist der gigantomane Gesamteindruck dieses archaischen Abenteuers. Dass manche Animationen und Texturen Geschichten aus der Technik-Gruft erzählen? Geschenkt! Kein anderes Rollenspiel bietet derzeit eine ähnlich glaubwürdige, betörende, prall mit virtuellem Leben gefüllte Anderswelt. An dieser Stelle ein Extralob an Übersetzer und deutsche Stimmen. Fast keine Rechtschreibfehler und glaubwürdige schauspielerische Leistungen lassen nur einen Wunsch offen: beim nächsten Mal bitte doppelt so viele Sprecher!

Drachenstarkes Mammut-Märchenreich mit zig Stunden Spielmaterial für alle erdenklichen Fantasy-Charaktere.

Singleplayer92
Multiplayer
Grafik
Sound