Akte BPjM – Cannon Fodder

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Winzige Soldaten, pixelige Landschaften, ein Auftrag: Töte alle Feinde und zerstöre jedes Gebäude. Cannon Fodder” begeisterte Mitte der 1990er Fans gepflegter Kriegsschießereien. Der BPjM war das brutale Treiben trotz satirischem ­Anstrich zu heftig für jugendliche Spieler. Und so landete Cannon Fodder auf dem Index.

Cannon Fodder

Entwickler: Sensible Software, England
Hersteller: Virgin Interactive
System: SNES / Mega Drive / Amiga / 3DO / Jaguar / GB Color
Veröffentlichung: Dezember 1993
Indizierungstermin: 21. Juli 1994
Indizierte Versionen: SNES / Mega Drive / Amiga / 3DO / Jaguar
Index-Liste: E

Töte und zerstöre! In Sensible Softwares Cannon Fodder geht es ums reine Auslöschen feindlicher Truppen in verschiedenen Terrains. Aus einer weit entfernten Draufsicht Marke Sensible Soccer steuert Ihr einen Trupp Soldaten durch fremdes Gebiet, in dem Ihr alles Leben auslöschen müsst. Gegner fallen blutend und schreiend um oder gehen brüllend an Bauchschüssen zugrunde. Für ein wenig Abwechslung sorgen sprengbare Gebäude und Extrawaffen wie Dynamit. Eure Recken klettern durch erfolgreiche Missionen die militärische Rangleiter empor, getötete Veteranen werden durch unerfahrene Rekruten ersetzt, die in einer langen Schlange vor Eurem Ausbildungscamp warten.

»So zwinge die programmimmanente Logik den Spieler nicht nur zur brutalen Liquidation einer unüberschaubaren Anzahl menschlicher Gegner, vielmehr erführen menschenverachtende Tötungsakte […] eine eindeutig positive Besetzung.«             

Auszüge aus der Indizierungs­entscheidung Nr. 4667 (V) vom 21.07.1994

”Erreichen die Schüsse ihr Ziel, so werden die Folgen überdeutlich visualisiert. Die tödlich getroffenen Gegner zerbersten unter qualvollen Schreien in blutige Fleischmassen. Unsauber angebrachte Schüsse bewirken, dass die Körper der Versehrten sich über ­einen längeren Zeitraum hinweg bestialisch brüllend am Boden winden. Blut entweicht fontänenartig dem Unterbauch.
(…)
Die sozialethische Desorientierung rührt hier aus der Einübung des gezielten Tötens. Die programmimmanente Logik bindet den Spieler an ein automatisiertes Befehls- und Gehorsamsverhältnis, dessen wesentlicher Kern das reaktionsschnelle, bedenkenlose Töten zahlloser menschlicher Gegner ausmacht. […] Ein Zögern oder Ausweichen der zu steuernden Spielfiguren wird vielmehr durch den Abbruch des Spiels bzw. einen Zwang zur stetigen Wiederholung ein und desselben Spiellevels bestraft.
(…)
’Siegreiche Helden’ werden nach Tötungsraten gestaffelt mit Orden dekoriert. Die Tötungsakte und ihre Folgen werden überaus realistisch inszeniert und sind in ihrer makaberen Machart darauf angelegt, beim Nutzer eine schadenfrohe Genugtuung ­hervorzurufen.
[…]
Obwohl die Gefahr videospielinduzierten physisch aggressiven Verhaltens nicht vollständig von der Hand zu weisen ist, sah das Entscheidungsgremium der Bundesprüfstelle die jugendgefährdende Wirkung des verfahrensgegenständlichen Objekts weniger in der Möglichkeit, Heranwachsende könnten das Gespielte […] in der alltäglichen Lebenswelt umsetzen. Die Jugendgefährdung ist […] in der Tatsache des vom Programm­ablauf ausschließlich geforderten reflexartigen, instinktiven ’Abschießens’ bzw. ’In-die-Luft-Sprengens’ menschlicher Gegner zu sehen. Das Training […] birgt die Gefahr eines Herabsinkens des Respekts vor dem Leben und der körperlichen Unversehrtheit und damit der Hemmschwellen, die jeder Tötungs- und Verletzungshandlung entgegenstehen, in sich.”

Schaut man sich Sensible Softwares Cannon Fodder zum ersten Mal an, kann man über die Indizierung nur den Kopf schütteln. Das Spiel überzeichnet das Kriegstreiben satirisch und stellt die Gefechte so winzig dar, dass Details kaum erkennbar sind. Aus heutiger Sicht sind die Bedenken der Antragsteller und der BPjM in puncto Verrohung des Spielers kaum nachvollziehbar. Damals sah die Sache aber ein bisschen anders aus: Das Spiel stellt das Töten in den Mittelpunkt, es gibt schlicht nichts anderes zu tun, und das wird in den simplen Missionsbeschreibungen auch immer wieder deutlich gemacht. Keine Charakterentwicklung, keine Dialoge, nichts lenkt vom Schießen ab. Dazu reagieren die menschlichen Feinde für damalige Verhältnisse wirklich realistisch auf Treffer: Sie schreien, sie krümmen sich unter Schmerzen und sie gehen im Kreuzfeuer Blut verspritzend zu Boden. Im Gegenzug freuen sich die eigenen Truppen über erfolgreiche Massentötungen, hüpfen jubelnd und werden befördert. Eigene Verluste fallen nicht allzu schwer ins Gewicht, die Schlange bereitwilliger Rekruten ist lang, Opfer werden einfach durch Frischfleisch ersetzt und die Mission neu gestartet. Auch im Gehörgang herrscht ständig Krieg, außer den Schreien der Sterbenden und monotonem Gewehrgeratter gibt es nichts zu hören. Da hilft auch die optische Distanz zum Geschehen auf dem Schlachtfeld nicht: Für seine Zeit war Cannon Fodder wirklich zu brutal für Kinderhände.

Du fragst Dich schon ewig, warum ein bestimmtes Spiel indiziert wurde? Dann schreib uns Deine Anregung an leserpost@maniac.de und wir gehen der Sache nach!

Gast

@ donkiekung:Ich erinnere mich, hatte aber nie eine “”Freundin mit CD-Player””. Das Lied mit Sprachausgabe lief auch auf meinem Amiga 500 mit MB-Erweiterung. Beim SNES fehlte hingegen der Gesang. Tolles Lied! ^^

donkiekung
I, MANIAC
donkiekung

Die älteren unter Euch, die eine Freundin mit CD-Player hatten,werden sich noch daran erinnern (ja, es ist das CD32 gemeint):War has never been so mich funGo to your brotherKill him with your gunLeave him dying in his uniformDying in the sun

SxyxS
I, MANIAC
SxyxS

Auf dem Amiga cd 32 gezockt.Warte immer noch auf irgendein Sequel oder HD

AkiraTheMessiah
Gast

Eines der vielen Kultspiele auf der Freundin … hab ich damals Stundenlang gezockt.

Gast

Eines meiner Lieblingsspiele! Hab’s zuerst auf dem Amiga, dann nochmal auf dem SNES gespielt. Den zweiten Teil fand ich dann nicht mehr so gut, aber der Erstling ist echt Kult!