Halo – Operation: Nightcrawler

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In Nathan löste dieser Anblick jedes Mal einen tiefen Groll aus, dazu verbreitete sich eine Schwere in seinen Eingeweiden. Er blickte zu Jim, den das alles inzwischen nicht mehr sonderlich zu kümmern schien. Stattdessen prüfte er in akribischer Kleinarbeit seine Waffen und die Tarnfunktionen seiner Rüstung.

„Fertig mit dem Panoramablick?“, fragte Jim, ohne von seinem MA5B Sturmgewehr zu Nathan aufzusehen.

„Denkst du nicht auch manchmal an die vielen Leben, die die Allianz bei ihren Angriffen ausgelöscht hat?“

„Warum sollte ich? Menschen sterben, Familien werden auseinander gerissen und am Ende rückt die Allianz weiter in Richtung Erde. Nichts, was ich nicht selbst erlebt hätte“, antwortete Jim.

„Genau deshalb solltest du etwas Mitleid empfinden, oder nicht?“, fragte Nathan und seine Augen trafen nun den finsteren Blick seines Partners.

„Wenn ich um jeden Menschen trauern würde, würde ich nur noch in der Ecke sitzen und heulen.“, sagte er und steckte ein frisches Magazin in sein Gewehr. „Manchmal begreife ich echt nicht, warum ich mit so einem Softie wie dir zusammenarbeiten muss.“

Nathan setzte seinen Helm wieder auf und blickte auf die Zeitanzeige auf der Innenseite seines Visiers, welche gerade auf 02:17:00 gesprungen war. „Damit dich jemand daran erinnert, unsere Jungs nicht auch abzuknallen, während du im Blutrausch bist. Wir sollten uns auf den Weg machen.“, sagte er, nahm sein DMR auf und lud es durch.

Die beiden Spartaner warfen einen letzten Blick auf ihr Ziel: die Stadt Chrystal. Es war eine der größten Hafenstädte des Planeten und Wirtschaftszentrum der Region. In den Außenbezirken befanden sich große Fabriken, die Öl und Deuterium aus dem Meer pumpten und dort veredelten. Im Zentrum der Stadt ragten Wolkenkratzer in die Höhe und warfen lange Schatten in die Häuserschluchten unter ihnen. Nathan hatte während der Einsatzbesprechung Bilder von Chrystal gesehen. Es war eine schöne Stadt mit einer kunstvoll geschwungenen Architektur, doch von ihrer Schönheit war mittlerweile nichts mehr zu sehen. Die Allianz hatte auch hier gewütet. Unter ihrem Sperrfeuer waren die Öllager in Brand geraten, anschließend griff das ausbrechende Feuer von einem Gebäude auf das nächste über. Viele der Wolkenkratzer waren so beschädigt, dass ihr Metallskelett zum Vorschein trat oder sie bereits eingestürzt waren.

Nathan und Jim rutschten den Hügel hinunter und rannten auf den Außenbereich der Stadt zu. Den Metallzaun eines Fabrikgeländes konnten die zwei mit Leichtigkeit zerreißen und sich über eine Zufahrtsstraße in Richtung Stadtzentrum begeben. Ihr Vorankommen wurde jedoch schon bald unterbrochen, denn sie waren nicht allein.

Sie bewegten sich durch eines der Einkaufsviertel von Chrystal. Dutzende Geschäfte reihten sich dicht an dicht in langen Einkaufsstraßen, die Schaufenster zertrümmert und die Neonreklamen teilweise oder gänzlich abgerissen, so dass Funken aus den offenen Kabelenden zuckten. Überall lagen fallen gelassene Einkaufstüten und verlassene Autos standen kreuz und quer auf der Straße, die Scheinwerfer noch eingeschaltet und die Türen sperrangelweit offen. Die Allianz hatte auf ihrem Marsch durch die Stadt ein Blutbad angerichtet, denn überall lagen menschlichen Leichen mit verbrannten Stellen am ganzen Körper, verursacht durch die Plasmaschüsse der Allianz, in anderen Körpern steckten noch Kristallnadeln der Nadelwerfer. Viele von ihnen waren offenbar bei dem Versuch zu fliehen auf offener Straße erschossen worden. Andere wiederum lagen hinter Müllcontainern, halb unter Autos hervorgezogen oder an anderen Orten, wo sie versucht hatten, sich zu verstecken.